Gedanken zur heutigen Garten-Un-Kultur von Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt
Beim Betreten der Straße vor meinem Haus sehe ich einen
Vorgarten, dicht bepflanzt mit Zwerggehölzen, mit Mini-Wacholder, Mini-Thuja und anderen Immergrünen aus dem Angebot der Gartencenter. Das Erdreich dazwischen mit Rindenmulch abgedeckt. Genauso könnte eine Grabfläche aussehen.
Mir tut eine solche missglückte Pflanzung in der Seele weh.
So viele verschenkte Möglichkeiten, das anvertraute Land zu einem Garten, der
diesen Namen verdient, zu machen. Mit Stauden und Blütensträuchern, mit hohen Laubgehölzen und Wiesenflächen
könnte er einen abwechslungsreichen Anblick bieten und dazu noch Lebensraum und Nahrungsquelle für Tiere bieten. Oder Gemüse und Obst könnten darin
wachsen. Er könnte zumindest schön gestaltet sein. Doch die hunderte
Quadratmeter große Gartenfläche besteht nur aus kurz geschorenem Rasen und ein
paar höheren Koniferen und vielen Zwerg-Immergrünen.
Unkenntnis und
Ordnungssinn
Wie konnte es nur zu solch einem Niedergang der Gartenkultur
kommen? Das Unvermögen, Gärten zu bepflanzen und zu hegen betrifft ja nicht nur diesen, sondern auch viele andere Gärten. Ich
sehe es als ein Zusammenspiel von Unkenntnis und übertriebenem Ordnungssinn an,
gepaart mit der Notwendigkeit, die Pflegearbeiten zu vereinfachen. Dazu fehlt
das ästhetische Empfinden, das Gefühl für Proportionen.
Aus meiner
jahrzehntelangen Kurstätigkeit weiß ich, dass die Leute sich oft nicht mit der
Vegetation auseinandersetzen, selbst wenn sie schon ihr ganzes Leben lang einen Garten bewirtschaften. Sie wissen nicht, welche Pflanzen sie vor sich haben. Sie kennen die Namen der Gewächse nicht, geschweige denn, welche Ansprüche diese haben. Sie sehen nur Essbares, Zierendes oder Unkräuter. Vielleicht lassen sie noch Rosen gelten. Schon Hermann Hesse machte im „Steppenwolf“ diese Beobachtung:
„Man stelle sich einen
Garten vor, mit hunderterlei Bäumen, mit tausenderlei Blumen, hunderterlei
Obst, hunderterlei Kräutern. Wenn nun der Gärtner dieses Gartens keine andre
botanische Unterscheidung kennt als „essbar“ und „Unkraut“, dann wird er mit neun
Zehnteln seines Gartens nichts anzufangen wissen, er wird die zauberhaftesten
Blumen ausreißen, die edelsten Bäume abhauen oder wird sie doch hassen und
scheel ansehen. ...“ (zitiert aus Suhrkamp Taschenbuch 175, Auflage 1974, S.
73)
Dem ist aus heutiger Sicht nichts hinzuzufügen.
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