Freitag, 19. Dezember 2014

Urban Gardening in der Schweiz (und in Deutschland)


Selbstversorgung mit Gemüse und Obst im städtischen Umfeld – aus pflanzenbaulicher Perspektive 

Von Dr. rer. agr. Brunhilde Bross-Burkhardt

(Dieser von der Schweizer Zeitschrift "Natürlich" bestellte Artikel wurde nicht veröffentlicht. Deshalb veröffentliche ich den Originalartikel hier in meinem Blog.)

Möhren und Erdbeeren frisch aus dem Garten – weitgehende Selbstversorgung mit Gemüse und Obst streben viele Menschen auf dem Land und in der Stadt an. Auf einem Grundstück am Haus ist dies leicht zu verwirklichen. Städter müssen sich etwas einfallen lassen. Sie wirtschaften in Familiengärten und neuerdings auch in Urban-Gardening-Projekten. Die Szene ist bunt und vielfältig. Eine Agrarwissenschaftlerin betrachtet einige Initiativen aus pflanzenbaulicher Perspektive.

Die Prinzessinnengärten in Berlin sind bekannt für ihren Containeranbau in ausgedienten Brotkisten und Reissäcken mit Bewässerung. Der Gemeinschaftsgarten heißt so, weil das Grundstück an der Prinzessinnenstraße liegt. Foto: B. Bross-Burkhardt   

Was ist Urban Gardening?
Genau genommen sind alle Anbauformen in einem städtischen Umfeld urbanes Gärtnern, also auch traditionelle Familiengärten (Kleingärten, Schrebergärten), Balkongärten oder Dachgärten. Doch der englische Begriff „Urban Gardening“, der in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen ist, hat durch die vielen Veröffentlichungen in den Medien einen anderen Anklang und bezieht sich vor allem auf neue Modelle des Gärtnerns, vor allem des Nutzpflanzenanbaus, in der Stadt. Diese heben sich vom individuellen, manchmal als spießig empfundenen Gärtnern im Familiengarten beziehungsweise Kleingarten ab – vom Guerilla-Gardening mit dem Werfen von Samenbomben über Gemeinschaftsgärten bis hin zu kommerziellen Urban-Agriculture-Projekten wie Aquaponic und Indoor-Farming.

Modell 1: Selbsterntegärten / Mietgärten
Einen einfachen Einstieg in den eigenen Gemüseanbau ermöglichen Selbsterntegärten, die manche Anbieter auch als Mietgärten oder Saisongärten bezeichnen. Es handelt sich dabei um Ackerparzellen, die Landwirte und Gärtner, manchmal auch Kommunen, Nutzern für eine Saison vermieten. In Deutschland ist die Nachfrage nach solchen Gärten groß. Mietgärten sind die ideale und günstige Lösung für alle, die erst einmal Erfahrungen mit dem Gemüseanbau sammeln und sich nicht längerfristig wie in einem Kleingarten festlegen wollen. Die Mietgärten liegen meist in Randbezirken von Städten im Übergang zum Land.

Es ist eine Kombination aus Profianbau und individuellem Anbau. Die Profis bearbeiten den Boden maschinell und bestellen das Land in Reihen mit einer Auswahl gängiger oder auch seltener Gemüsearten und –sorten. Anschließend teilen sie es quer zum Reihenverlauf in Parzellen von etwa 20 bis 60 Quadratmeter Größe auf. Die Parzelle kann auch Teil eines Rundbeets oder eines Kartoffeldammstreifens sein. Die Nutzer mieten die Parzelle vom Frühjahr bis zum Spätherbst. Sie übernehmen die laufenden Arbeiten; hacken, gießen und ernten das Gemüse, säen und pflanzen eventuell Nachkulturen. Die Betreiber stellen die Infrastruktur zur Bewirtschaftung, also Geräte, Wasser, Kompost usw., zur Verfügung. Interessenten finden im Internet Standorte in der Nähe ihrer Wohnung  und können gleich eine Parzelle buchen – bei den „Ackerhelden“ (www.ackerhelden.de), bei „Bauerngarten“ in Berlin (www.bauerngarten.net) oder „Krautgärten“ in München (http://urbane-gaerten-muenchen.de) und etlichen anderen Anbietern.

Modell 2: Regionale Vertragslandwirtschaft
Dies ist ein ähnliches Stadt-Land-Modell, bei dem LandwirtInnen und KonsumentInnen zusammenarbeiten. Landwirte und Gleichgesinnte, die die regionale Lebensmittelversorgung fördern wollen, schließen sich zu Genossenschaften zusammen. Sie pachten Land am Rand von Städten und stellen ausgebildete Landwirte oder Gärtner ein, die sich um einen arten- und sortenreichen Anbau von Gemüse kümmern. Am Anfang des Jahres verkauft die Genossenschaft Abos oder Anteilscheine für Gemüselieferungen während der Saison und sichert so den Absatz. Die Abonnenten oder Genossenschafter sind sichere Abnehmer für die Ernte, sie tragen das Risiko bei Fehlernten mit. Mit dem Gemüseabo verpflichten sie sich zur Mithilfe auf dem Acker. Eine dieser Initiativen ist die Anbaugemeinschaft für eigenes Gemüse an Zürichs Stadtrand (www.dunkelhoelzli.ch), die etwa 30 Ar Ackerflächen und etwas Obst- und Beerenland bewirtschaftet. Folienhäuser für etwa 30 Tomatensorten gibt es auch. Oder die regionale Gartenkooperative Ortoloco in Dietikon (www.ortoloco.ch), die einen 1,4 Hektar großen Acker bewirtschaftet.

Modell 3: Gemeinschaftsgärten, Nachbarschaftsgärten
Viel Aufsehen erregen Initiativen, die brach liegende Freiflächen im Stadtbereich in Gemeinschaftsgärten umwandeln. Eine europäische Hochburg solcher Projekte, die sich aufs Allmende-Prinzip berufen, ist Berlin. Die besondere Situation dieser Stadt macht es möglich: Anders als in anderen dicht bebauten Großstädten, wie zum Beispiel Zürich oder Stuttgart, gibt es hier sehr viele Brachflächen, die kreative Ideen für eine sinnvolle Nutzung geradezu herausfordern. Ein bekanntes Berliner Projekt ist der Garten Rosa Rose (www.rosarose-garten.net), bei dem tatsächlich die Flächen gemeinsam gepflegt werden. So wird es auch in  Basel im Permakulturgarten Landhof (www.permakultur.ch/index.php/projekte/landhofbaselgarten) gehandhabt. Teilweise funktioniert das offenbar ganz gut, bei anderen weniger, weil eben nicht alle Beteiligten gleich viel zur Pflege des Gartens beitragen. Einige Projekte kombinieren Gemeinschaftsteile und individuell bewirtschaftete Beete, zum Beispiel der Nachbarschaftsgarten TonSteineGärten in Berlin (http://gaerten-am-mariannenplatz.blogspot.de/).

Modell 4: Mobile Gärten, Quartiergärten als Zwischennutzung
Viele Urban-Gardening-Projekte machen durch Kisten und Behältnisse aller Art auf sich aufmerksam. – Spektakulär in Szene gesetzt im Berliner Prinzessinnengärten mit ausrangierten Brotkisten aus Kunststoff, alten Reissäcken oder aufgeschlitzten Tetrapackbehältern (http://prinzessinnengarten.net/). Warum nicht? In diesem anbautechnisch ausgeklügelten Vorzeigeprojekt wächst tatsächlich viel Gemüse heran, das im Freiluftrestaurant zu schmackhaften Gerichten zubereitet wird. Überschüssiges wird verkauft. Auf dem Tempelhofer Feld, am Rand des stillgelegten Flughafens Tempelhof mitten in Berlin, sieht es mit windschief gezimmerten Holzkonstruktionen aus wie Villa Kunterbunt. Mais, Schmuckkörbchen und Sonnenblumen ragen neben allerlei Sitzmöbeln in den weiten Himmel (http://www.tempelhoferfreiheit.de/).

Demgegenüber hat der mobile Gemeinschaftsgarten im Zürcher Stadiongarten (www.stadiongarten.ch) mit schmucken Holzcontainern eine überschaubare Dimension. Die Fläche steht vor dem Bau des neuen Stadions für die Zwischennutzung zur Verfügung. Ebenfalls um Zwischennutzung vor einer Überbauung geht es bei dem Projekt Tramdepot Burgernziel in Bern. Der Verein Stadtbuure in Winterthur greift die Urban-Gardening-Idee mit der charmanten Einkaufswägeli-Aktion und Palettengärten auf (www.winterthur-nachhaltig.ch).

Viele Kommunen initiieren mittlerweile selbst die Projekte und stellen Personal und Geld dafür bereit, weil sie die vielen positiven Effekte von Urban Gardening fürs soziale Miteinander sehen und ebenso die Biodiversität fördern wollen.

Modell 5: Urban Gardening gegen Entvölkerung
In manchen Fällen ist nicht Mangel an Land Anlass für ein Urban-Gardening-Projekt, sondern ein Überfluss davon. Mitten in Deutschland, in der sich entvölkernden Stadt Dessau-Rosslau geht es darum, das Brachfallen von Gelände zu verhindern. Hier ist die Situation ähnlich wie in Detroit, wo durch den enormen Bevölkerungsrückgang von 2 Millionen auf unter 700 000 Einwohner weite Teile der Stadt brach fielen. Um dem Bevölkerungsverlust in der eigenen Stadt entgegen zu wirken, überlässt Dessau 20 x 20-m-Parzellen deshalb kostenlos an "Paten" zur Bewirtschaftung. 

Modell 6: Essbare Stadt, Bürgergärten
Ernten, was andere anbauen, ohne etwas dafür tun zu müssen – das mutet wie im Schlaraffenland an. Andernach an der Mosel hat dieses Prinzip der „Essbaren Stadt“ publik gemacht (www.andernach.de). Andere Städte eifern dem nach. Anstelle von Rosen und Sommerblumen stehen hier Stangenbohnen, Zwiebeln, Mangold und Kürbis auf städtischem Grund. Weinreben und Spaliergehölze, Feigen und Mandeln ebenso. Von diesem Modell profitieren Stadt und Bürger: Die Stadt, weil sie für Anlage und Pflege der Gemüsebeete weniger ausgeben muss als für Zierpflanzenbeete und ganz nebenbei sehr viel fürs Stadtimage tut. Und die Bürger, weil sie sich kostenlos bedienen können.

Modell 7: Urban Agriculture
In dicht besiedelten asiatischen Megacities hat sich Urban Agriculture zur Versorgung der Stadtbevölkerung mit Nahrungsmitteln etabliert. In Mitteleuropa gibt es erst vereinzelt Projekte wie das Aquaponic-Farm-System. Es handelt sich dabei um eine Kombination aus Aquakultur von Fischen (meist sind es Tilapia-Barsche) und in Hydrokultur angebautem Gemüse wie Tomaten und Salate. Die Idee ist, die in der Farm erzeugten Fische und das Gemüse ohne Zwischenhandel und Transportwege direkt an das städtische Kaufpublikum zu vertreiben. In dem nahezu geschlossenen System wird das mit Nährstoffen aus den Fischexkrementen angereicherte und aufbereitete Wasser aus der Aquakultur zur Düngung der Gemüse ins Hydrokultursystem gepumpt. Das im Gewächshaus verdunstete Wasser wird über Kältefallen zurückgewonnen und wieder der Aquakultur zugeführt. Die erste derartige kommerzielle Anlage Europas steht im Basler Dreispitzareal auf dem Dach des ehemaligen Lokdepots.

Wie Aquaponic funktioniert, zeigt die UrbanFarmersBox. Der ausrangierte Schiffscontainer mit Gewächshausaufbau steht in Winterthur (http://winterthur-nachhaltig.ch/stadtbuure/). Das Pendant in Berlin heißt Containerfarm oder schlicht Rostlaube (http://www.ecf-farmsystems.com/).))


„Urban Gardening“ – darauf kommt's an
Die Besitz- und Organisationsstruktur der Urban-Gardening-Projekte ist das eine. Der tatsächliche Anbau und die möglichst gute Ernte von Nutzpflanzen das wesentliche andere. Was verspricht mehr Erfolg: Das Gärtnern in gewachsener Erde oder im Container? Gewachsene Erde ist immer besser und bringt sicheren Ertrag, wenn man sich an die gartenbaulichen Regeln hält (und die Schnecken nicht alles abraspeln). Also sonnigen Platz wählen, Boden gut vorbereiten, Gemüse und Kräuter in weitem Abstand säen oder pflanzen und darauf achten, dass die Konkurrenz durch Wildkräuter nicht zu groß wird. Auftretende Probleme mit Schädlings- und Krankheitsbefall, Wasser- und Nährstoffversorgung darf man nicht unterschätzen.

Noch mehr Aufmerksamkeit und Fingerspitzengefühl verlangt der Anbau in Kisten oder in Hochbeeten. Hier kommt es besonders auf die gleichmäßige Wasserversorgung eventuell mit Hilfe einer automatischen Bewässerung an, denn die Gemüsepflanzen oder die Obstgehölze haben nur einen begrenzten Wurzelraum. Anders als in gewachsener Erde können die Kulturpflanzen mit ihren Wurzeln nicht in tiefere Bodenschichten vordringen und sich aus dem Bodenvorrat mit Wasser und Nährstoffen versorgen. Bei Dauerkulturen besteht zudem die Gefahr, dass die Pflanzen im Winter vertrocknen oder ausfrieren.

Ökologisch und nachhaltig ist der Anbau in Gefäßen nur, wenn man sorgsam und sparsam mit Materialien umgeht und Erde (Substrate) ohne Torf verwendet. Die Kosten sollten in einem vernünftigen Verhältnis zum Ertrag stehen. Etwas Widerständigkeit gegen modisches (und teures) Urban-Gardening-Zubehör aus dem Handel gehört auch dazu. 

Und dann legen Sie los mit Mangold, Kartoffeln oder Topinambur in der Kiste oder Tomaten im Eimer – nur nicht am Straßenrand, sondern in sicherer Entfernung von Abgasen, Feinstaub und Reifenabrieb.
Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt

Samstag, 3. Mai 2014

Löwenzahn und Graffiti

Gärtnern vor Grafitti: Nachbarschaftsgarten Ton Steine Gärten in Berlin-Kreuzberg. Fotos (2): Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt.
Urban Gardening in Berlin
Von Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt

Wahrscheinlich existieren nirgendwo so viele Urban-Gardening-Projekte wie in Berlin. Eines davon ist der Nachbarschaftsgarten "Ton Steine Gärten" in Kreuzberg am Mariannenplatz. Auf der ehemaligen etwa 1000 Quadratmeter großen Brachfläche, auf der der Boden ausgetauscht wurde, bauen Anwohner oder andere Interessierte Gemüse und Kräuter an. Rein gärtnerisch betrachtet wird hier in sandiger Erde gegärtnert und nicht wie bei vielen anderen Projekten in Gefäßen. Einige Flächen werden gemeinschaftlich bewirtschaftet. Der größte Teil ist in unregelmäßig geformte Beete von etwa 10 bis 15 Quadratmeter Größe aufgeteilt. Diese werden jeweils individuell bewirtschaftet. Über Trittwege gelangt man zu den Beeten. Diese sind mit Holzprügeln, Stecken, Brettern oder Steinen abgegrenzt. Das Gelände selbst ist nicht eingezäunt. Auf einem Schild wird ausdrücklich dazu eingeladen, im Garten zu flanieren.


Die einzelnen Beete sind mit Holzpflöcken und Brettern voneinander abgegrenzt. 

Das tat ich dann auch. Zwei junge Männer sahen sich wie ich auf dem Gelände um. Eine junge Frau führte eine Besuchergruppe durch. Die Besucher waren so eindeutig in der Überzahl, denn nur eine Frau und ein Mann arbeiteten im Garten. Auf wenigen Beeten war Gemüse gesät und gepflanzt, die meisten waren nicht bestellt. Auf vielen Beeten und entlang der Zugangspfade sprießten Wildkräuter. Ich sah viel Löwenzahn, Vergissmeinnicht, Sauerampfer, Mangold, Erdbeeren, Minzen ... Nur wenige Beete schienen mit gärtnerischem Geschick und Können angelegt zu sein und betreut zu werden. Aber vielleicht war es für eine solche Beurteilung noch zu früh in der Saison (Ende April). Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass die Nachbarschaftsgärtner auf dem Gelände wegen des Schattenwurfs von hohen Gebäuden und Bäumen viel ernten werden. Auch aus einem anderen Grund dürfte das proklamierte Anliegen, sich selbst mit Gemüse aus diesem Garten zu versorgen, nicht erfüllt werden. – Die Initiativgruppe beklagt selbst, dass viel geklaut wird und Hunde durch das Gelände streunen ...

Mehr Informationen: http://gaerten-am-mariannenplatz.blogspot.com




Freitag, 11. April 2014

Spargelacker aus der Luft

Spargelanbaufläche bei Beelitz südlich von Berlin von oben. Foto: Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt

Dienstag, 8. April 2014

Gartenvielfalt auf dem Land (2)


Bei diesem etwa 1000 Quadratmeter großen Einfamilienhausgrundstück ist der Nutzgartenteil in offener Lage als „Garten im Garten“ angelegt. Foto: Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt


Traditionelle Gartenformen auf dem Lande, Teil 2

Von Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt 

2. Gärten im alten Siedlungskern der Ortschaften
Im Siedlungskern der Dörfer und kleinen Städte gibt es nicht nur Hofstellen noch bewirtschafteter oder aufgegebener Bauernhöfe, sondern auch Anwesen anderer Bevölkerungsgruppen; etwa die von Handwerkern, Gastwirten, Pfarrern und in anderen Berufen tätigen Menschen. In diesen Siedlungskernen bewirtschaften die Bewohner häufig nach wie vor Nutzgärten – aus Tradition und zur Selbstversorgung mit Gemüse und Obst. Die seit Jahrzehnten durchgeführten Ortsverschönerungswettbewerbe sowie die Aktivitäten der Obst- und Gartenbauvereine befördern sicherlich die Gartennutzung in den Dörfern.

3. Hausgärten an Einfamilienhäusern
Um den Siedlungskern hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten in fast allen Ortschaften ein Gürtel von Neubaugebieten gelegt. In den ersten Nachkriegsjahrzehnten wurden Baugrundstücke mit etwa 700 bis 1000 Quadratmetern oder noch mehr ausgewiesen, was genügend Raum für die Anlage eines Nutzgartens mit Gemüse und auch für Obstbäume bot. In den Siedlungen für die vielen Heimatvertriebenen, die ihre Höfe in Polen, Rumänien oder Tschechien verlassen mussten, wurden auf den Hausgrundstücken sogar kleine Nebengebäude wie Kleintierställe oder Schuppen gebaut.

Heute sind die Hausgrundstücke nur noch 300 bis 500 Quadratmeter groß, weil verdichtet gebaut werden muss und weil die Leute sich bei hohen Preisen nur noch kleine Grundstücke leisten können.

Moderne Hausgärten sind kombinierte Nutz- und Ziergärten mit dem Charakter eines Wohngartens. Im Unterschied zu bäuerlichen Gärten mit ihren unterschiedlichen Funktionen und Nutzungen bilden bei den Hausgärten Haus und Garten eine Einheit. Der Gemüseteil nimmt meistens nur eine kleine Fläche inmitten des Rasens oder am Grundstücksrand ein. Er führt oft im wahrsten Sinne des Wortes ein Schattendasein, da in den Hausgärten Bäume und Sträucher Schatten werfen, was dem Gemüse nicht förderlich ist. Doch es gibt Ausnahmen; Hausbesitzer, denen die Selbstversorgung wichtig ist, geben dem Gemüse den nötigen Raum und verzichten auf die Ziersträucher.


Literaturhinweise:
Brunhilde Bross-Burkhardt: Mein Küchengarten. BLV-Buchverlag, 2012
Brunhilde Bross-Burkhardt; Bärbel Schlegel: Bauerngärten in Baden-Württemberg. Silberburg-Verlag, 2002 (nur noch antiquarisch)

Gartenvielfalt auf dem Land (3)




Ein großes, eingezäuntes Gartenareal außerhalb einer Ortschaft bietet ideale Kulturbedingungen für Gemüse, Beerenobst Sommerblumen, Stauden und Dahlien. Fotos (2): Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt


Traditionelle ländliche Gartenformen in Süddeutschland, Teil 3

Von Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt

4. Gartengrundstücke außerhalb der Ortschaften
Eine weitere Form ländlicher Gartennutzung sind einzelne Gartengrundstücke oder Obstland in der Feldflur, auf denen die Besitzer Kartoffeln, Gemüse, Beerenobst und Obst anbauen. Diese „Stückle“ oder „Gütle“ sind häufig als Erbteil aus der Aufteilung von landwirtschaftlichem Besitz übrig geblieben und werden in der Familie weiter vererbt. Die Familien bewirtschaften mit ihrem Erfahrungswissen das Land und erhalten es für die nachfolgenden Generationen. In den meisten Fällen betätigen sich nach meiner Beobachtung in diesen Gärten die Männer.

Diese Grundstücke sind oft eingezäunt oder von einer hoch gewachsenen Hecke umgeben. Die Abgrenzung ist sinnvoll und nötig, um Wild abzuhalten und natürlich auch, um Eindringlinge am Obstklau zu hindern. Oft befindet sich ein Gartenhäuschen oder ein Schuppen zum Unterstellen der Geräte auf dem Gelände.

Die Parzellen dieses Gartenareals im Überflutungsbereich eines Flusses sind in Privatbesitz. 















5. Private Gartenparzellen (Krautgärten)
Krautgärten im Außenbereich von Städten und Gemeinden sind oft ein Relikt der früheren Siedlungsstruktur. In Ortslagen, in denen die Häuser eng beieinander standen, beispielsweise in Kleinstädten mit Stadtmauer, war am Haus kein Platz für Gartenland. Gärten mussten deshalb vor die Stadtmauer oder bei kleineren Siedlungen „außer Etter“ vor dem so genannten „Etter“ (Schutzstreifen aus eng gepflanzten Gehölzen oder Hölzern) angelegt werden. Die Gartengrundstücke erstrecken sich entlang der Stadtmauer oder entlang der äußersten Bebauungsreihe der Siedlungen.

Krautgärten können im Besitz von Privatleuten sein oder auch im Besitz von Kommunen oder anderen Trägern. Städte und Gemeinden verpachten die Parzellen gegen eine sehr geringe Jahresgebühr. (Wohlgemerkt: Es handelt sich bei diesen Krautgärten nicht um „Kleingärten“, die über Kleingärtnervereine verpachtet werden und teils strengen Reglementierungen unterliegen.)

Krautgärten gehen oft ohne vertikale Abgrenzung durch Zäune oder Hecken ineinander über. Abgegrenzt werden sie nur durch Trittwege, hochkant gesetzte Steine oder andere Bodenmarkierungen. Meistens sind keine festen baulichen Einrichtungen vorhanden, allenfalls nützliche Stellagen wie Tomatenhäuser, Kompostlegen, Bohnenstangen oder Stützgerüste, dazu Wasserfässer oder selbstgezimmerte Verschläge zum Unterstellen der Gerätschaften. Ob und wie viele feste Bauten vorhanden sind, hängt davon ab, ob die Gartenfläche bei Hochwasser überflutet wird.

In Bach- und Flussnähe haben die Besitzer Zugang zum Wasser und schöpfen es mit Eimern oder pumpen es heraus. Böden im Überflutungsbereich von Flüssen sind sehr fruchtbar, weil sich hier nährstoffreiches Sediment absetzt. (Die Überflutungen in jüngster Zeit wirkten sich dagegen sicherlich eher negativ aus.)

Die offen daliegenden Gartenparzellen, die in den vollen Lichtgenuss kommen und fruchtbaren Boden haben, sind ideal für den Gemüse- und Beerenobstanbau. Flächen, die vorübergehend nicht gebraucht werden, werden mit Gründüngung oder Gras eingesät. Oder sie verwildern, wenn sie nicht mehr genutzt werden. Nach meiner Beobachtung deutet sich hier indes ein Trendwechsel an: Gartenland, das lange brach lag, wird derzeit wieder in Bewirtschaftung genommen. – Gute Aussichten für eine sinnvolle und pflegliche Nutzung des Landes! 


Literaturhinweise:
Brunhilde Bross-Burkhardt: Mein Küchengarten. BLV-Buchverlag, 2012
Brunhilde Bross-Burkhardt; Bärbel Schlegel: Bauerngärten in Baden-Württemberg. Silberburg-Verlag, 2002 (nur noch antiquarisch)


Montag, 24. März 2014

Gartenvielfalt auf dem Land (1)



In diesem großen bäuerlichen Nutzgarten gedeiht Gemüse zur Selbstversorgung. Alle Möglichkeiten der Ernteverfrühung werden genutzt. Fotos (3) Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt



Traditionelle ländliche Gartenformen in Süddeutschland - Gärten am Bauernhof, ländliche Hausgärten, Krautgärten, Teil 1

Von Dr. rer. agr. Brunhilde Bross-Burkhardt

Die Publikumspresse ist derzeit voll von Artikeln über gemeinschaftliche gärtnerische Aktivitäten im städtischen Raum oder über opulente Vorzeigegärten. In den Medien liest man jedoch kaum etwas über ländliche Gärten. Das mag u.a. daran liegen, dass die normalen Nutzgärten unspektakulär sind und mit ihrem ungeschönten Erscheinungsbild kaum den ästhetischen Vorgaben der Buch- und Zeitschriftenverlage entsprechen.

Dabei geschieht in diesen Gärten ungeheuer viel. Hier gedeiht das Obst und Gemüse, mit dem die Bevölkerung sich zu einem guten Teil selbst versorgt. Sie sind Teil des Alltagslebens und nicht die Bühne für Selbstinszenierungen oder Müßiggang. Es liegt deshalb nahe, auch diese traditionellen ländlichen Gärten gebührend zu würdigen. Bei genauer Betrachtung ergibt sich ein sehr differenziertes Bild der Gartenformen auf dem Land. In diesem Artikel stelle ich die Einbindung in die Siedlungsstruktur in den Mittelpunkt und nicht, wie üblich in Veröffentlichungen über Gärten, die Gestaltung oder Anbaufragen.


Fast wie im Gewächshaus: nach Süden ausgerichteter Nutzgarten mit Zierpflanzen, Gemüse und Weinstöcken an der Stallmauer.

Formen privater Gärten auf dem Land (Nutz- und Ziergärten)
(Differenzierung nach Siedlungsstruktur)
  1. Gärten an landwirtschaftlichen Hofstellen im dörflichen Umfeld oder an Einzelhöfen bzw. Aussiedlerhöfen. Oft sehr große Nutzgärten zur weitgehenden Selbstversorgung. Gärten als Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche.
  2. Gärten im alten Siedlungskern der Ortschaften. Diese sind entsprechend der Besitzstruktur oft kleinflächig und zerstückelt, der Bebauung angepasst.
  3. Hausgärten von Privathäusern. Auf dem Land und in älteren Siedlungen der Kleinstädte sind Hausgärten oft 800 bis 1000 Quadratmeter groß oder noch größer. Neue Baugrundstücke werden meist mit 300 bis 500 Quadratmetern Fläche ausgewiesen.
  4. Gartengrundstücke außerhalb der Ortschaften, in Süddeutschland als „Stückle“ oder „Gütle“ bezeichnet. Neben Gemüse mit Obstbäumen und Beerensträuchern und anderen Dauerkulturen; häufig eingezäunt oder von einer Hecke umgeben.
  5. Private Gartenparzellen (Krautgärten) einzeln oder im Verbund am Rand von Ortschaften, meist nicht eingezäunt. Oft im Überflutungsbereich von Bächen und Flüssen. 



Intensiv bewirtschafteter bäuerlicher Nutz- und Ziergarten mit einer Vielfalt an Gemüse, Kräutern und Blumen.
1. Gärten an landwirtschaftlichen Hofstellen
An die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs „Garten“ fühlt man sich am ehesten beim Betrachten von ländlichen Gärten erinnert – bei Gärten an Hofstellen von Einzelhöfen, in Weilern oder kleinen Dörfern. Diese Gärten existieren oft schon seit Jahrhunderten, so lange wie die Höfe selbst. Zu vielen Hofstellen gehören große, offen daliegende und gut einsehbare Nutzgärten, im Idealfall umrahmt von einem Lattenzaun. Viele dieser Gärten sind aus praktischen Erwägungen nicht mehr eingezäunt, weil Zäune in der heutigen Zeit kaum mehr nötig sind und ihre Erhaltung sehr aufwändig ist.

Genau genommen gehörten zu den Hofstellen bis in die jüngste Vergangenheit oft mehrere Gärten mit differenzierter Bepflanzung und Nutzung: der Sommergarten bzw. Küchengarten in Hausnähe, der Obstgarten sowie der Krautgarten auf dem Acker außerhalb in der Feldflur.

Verzierter Nutzgarten oder Sommergarten
In ländlichen Regionen entdeckt man häufig noch sehr große Nutzgärten, die das Ortsbild bestimmen. Sie sind vielfach als traditionelle „verzierte Nutzgärten“ angelegt. In diesen Gärten in Hausnähe, den so genannten „Sommergärten“ oder „Küchengärten“, wurde früher das „feine“ Gemüse – Salate, Erbsen, Bohnen usw. – angebaut, während das „grobe“ Gemüse – Kraut, Lauch und Zwiebeln – auf dem Acker stand. Das Gemüseland ist in den verzierten Nutzgärten umsäumt von Rabatten mit Sommerblumen und Stauden. Etwas Beerenobst wird ebenfalls in diesen hausnahen Gärten kultiviert. Sträucher und hohe Bäume gibt es hier dagegen selten, weil diese dem lichtbedürftigen Gemüse zu viel Licht wegnehmen und dadurch den Ertrag schmälern würden.

Der Nutzgarten kann auf den Hofstellen vor oder neben dem Haus oder etwas abgerückt vom Haus angelegt sein. Manchmal sogar auf der anderen Straßenseite oder etwas weiter entfernt, je nach Topographie oder je nachdem, wo die Familie Land besitzt. Im Rahmen der Besitzgrenzen ist das Kleinklima entscheidend für die Auswahl des Nutzgartengeländes. Die Landbewohner wählten schon immer mit Bedacht sonnige und windgeschützte Flächen für die Gartennutzung aus. Sie wussten, dass nur an solchen Stellen Gemüse und Obst gut und gesund heranwachsen kann.

Obstgarten in Hausnähe
Der Obstgarten befand und befindet sich ebenfalls meistens in Haus- und Stallnähe. Dieser diente und dient oft als Hühnerauslauf. Den Ertrag der Streuobstbäume, der Äpfel, Mostbirnen und Zwetschgen brauchte man für die Mostbereitung und zum Schnapsbrennen. Schattige Obstgärten mit Hochstammobst legten sich wie ein Gürtel um kleine Dörfer und bildeten den Übergang in die freie Landschaft. In manchen Regionen ist dies heute noch so. Gerade diese Obstbaumgürtel um die kleinen Ortschaften machen den Reiz einer ländlichen Umgebung aus.

Krautgärten in der Feldflur
So groß diese Gärten am Haus auch sein mögen – für die Selbstversorgung reichte die Fläche in früheren Zeiten trotzdem nicht aus. Deshalb wurden Flächen in der Feldflur für das „grobe“ Gemüse in Kultur genommen; also für das Gemüse, das wenig Pflege braucht und weitgehend sich selbst überlassen werden kann. Das sind vor allem Kartoffeln, Zwiebeln, Lauch, Gelbe Rüben, Rote Rüben, Kraut und manchmal auch Erdbeeren. (Häufig wird lediglich das Grobgemüse als „G’müs“ bezeichnet. Grüne Salate gelten nicht als Gemüse.)

Solche Krautgärten gibt es vielfach auch heute noch. Auf Höfen, die Ackerbau betreiben, laufen die Gemüseanbauflächen am Rand von Getreideäckern oder Rüben- bzw. Kartoffeläckern einfach so mit. Sie entstehen jedes Jahr entsprechend der landwirtschaftlichen Fruchtfolge an einer anderer Stelle neu, sie wandern. So wird automatisch auch bei den gärtnerischen Kulturen die Fruchtfolge eingehalten.

Die Streifen fürs Gemüse werden bei der Bearbeitung der Ackerflächen mitgepflügt und geeggt. Nur die Unkrautbekämpfung während des Sommers erfolgt – abgesehen vom Säen, Pflanzen und Ernten – von Hand. Bei den genannten Gemüsearten reicht es, sie alle paar Wochen einmal durchzuhacken, um den Boden zu lockern und zu belüften und dabei auch das meist reichlich erscheinende Unkraut abzuhacken. Diese Gemüse müssen ohne Bewässerung auskommen. Das funktioniert normalerweise sehr gut. Nur bei sehr lang anhaltender Trockenheit muss eventuell zusätzlich bewässert werden. In dem Fall kommt das Gießwasser aus Wassertanks oder aus alten Jauchefässern am Rand des Ackers.

Der extensive Gemüseanbau auf dem Acker ist sinnvoll. Zwiebeln und Möhren vom Acker wachsen meistens viel größer und gesünder als die auf normalen Gartengrundstücken. Das kann verschiedene Gründe haben: 1. weil der nötige Fruchtwechsel eingehalten wird; 2. weil der Boden durch die Düngung der landwirtschaftlichen Kulturen gut mit Nährstoffen versorgt ist, und 3. weil die Gemüse nicht bedrängt von anderen Kulturen oder von Schattenwurf sind und sich gut entfalten können. Bei der Kultur von Möhren auf dem Acker zeigt sich immer wieder, dass sie hier kaum von der Möhrenfliege heimgesucht werden, die im Garten häufig großen Schaden verursacht und die Möhrenkultur im Hausgarten nahezu unmöglich macht.

Ein ländlicher Garten ist kein „Bauerngarten“
Die hier vorgestellten Gartenformen möchte ich nicht als „Bauerngärten“ bezeichnen, auch wenn sich dieser Begriff aufdrängt. Aber dieser Begriff ist aufgesetzt und falsch. Er bezieht sich auf die Gestaltung und nicht auf die Funktion. Mit den geschönten, aufwändig gepflegten „Bauerngärten“ der Gartenmagazine haben die wirklichen ländlichen Gärten ohnehin kaum etwas gemein. Die Gärten an landwirtschaftlichen Betrieben laufen nebenher, je nachdem, wie viel Zeit zur Bewirtschaftung bleibt. Es geht nicht darum, die Gärten zum Vorzeige- oder Prestigeobjekt zu machen. Obwohl die GärtnerInnen sicher nichts dagegen haben und stolz darauf sind, wenn der Garten schön und gepflegt aussieht. Es ist eben eine Frage der für die Gartenarbeit zur Verfügung stehenden Zeit. Wenn schon, müssten diese Gärten genau genommen Bäuerinnengärten heißen. Denn es sind hauptsächlich die Frauen, die Gärten auf den Höfen bewirtschaften. Und gerade die Bäuerinnen pflegen die Gärten mit Sachverstand. Es ist die einzige Berufsgruppe in Deutschland, die den Hausgartenbau im Rahmen ihrer Ausbildung in Ländlicher Hauswirtschaft oder als Dorfhelferin theoretisch und praktisch vermittelt bekommt.

Ländliche Gärten im Wandel
Die Bäuerinnen passen ihre Gartennutzung den Notwendigkeiten an. Sie haben die Gartenfläche verkleinert, weil auf den Höfen nur noch wenige Menschen leben. Hinzu kommt, dass viele Familien die Landwirtschaft aufgegeben haben oder nur noch Teilflächen bewirtschaften. Doch selbst wenn kein Ackerbau und keine Viehwirtschaft mehr betrieben werden, bleibt der Hof mit seinen Funktionsgebäuden, mit Ställen, Scheunen, Schuppen, Hühnerställen, usw. erhalten, und eben auch die Gärten. In manchen Regionen mit traditionellen Siedlungsstrukturen trifft man diese Gartenformen noch häufig an.

Traditionelle Siedlungsstrukturen haben sich vor allem in Regionen mit Anerbenrecht erhalten, wobei der Besitz an einen Erben übergeht und in seiner Gesamtheit erhalten bleibt. In so genannten Realteilungsgebieten dagegen wurde der Besitz durch wiederholte Erbteilungen gestückelt; die Landwirtschaft ist hier kleinstrukturierter mit kleineren Hofstellen und kleineren Gärten.

In größeren prosperierenden Dörfern in Stadtnähe mit einem Gürtel von Neubausiedlungen hat sich die Siedlungsstruktur stärker verändert als in abgelegenen Dörfern, und demzufolge auch die Flächennutzung in den Siedlungen. Freie Flächen an Hofstellen wurden umgenutzt, Gartenflächen wurden mit Garagen oder neuen Häusern überbaut oder zu Stellplätzen umgewandelt. In einem solchen Umfeld blieben oft nur zwischen Neubauten eingezwängte Restgärten übrig.

Der „Garten“-Begriff in der Geschichte der Gartenkultur
Das Wort „Garten“ leitet sich etymologisch von dem indogermanischen Begriff „gher“ für "Gerte" ab. Der Garten war also ursprünglich das von Gerten (dünnen, biegsamen Stöcken, beispielsweise Haselnuss- oder Weidenruten) umgrenzte Landstück.
In der Frühzeit der Besiedlung unseres Raumes unterlag das Land einem strengen Flurzwang. Einzig der Garten durfte individuell bewirtschaftet werden; er hatte einen hohen Schutzstatus, genauso wie die Hofstatt, und musste mit einer festen, dichten, ganzjährigen Umzäunung versehen werden. Die Eingertungen bzw. Einzäunungen hatten zum einen die praktische Funktion, die Gärten vor Wild und Diebstahl zu schützen; sie markierten jedoch gleichzeitig die Grenzen des Besitzes und hatten so eine rechtliche Bedeutung. In der mittelalterlichen Gesellschaftsordnung war der „garto“ teilweise oder ganz von der Zahlung des Zehnten an den Grundherren ausgenommen.

Literaturhinweise:
Brunhilde Bross-Burkhardt: Mein Küchengarten. BLV-Buchverlag, 2012
Brunhilde Bross-Burkhardt; Bärbel Schlegel: Bauerngärten in Baden-Württemberg. Silberburg-Verlag, 2002 (nur noch antiquarisch) – Gartenbuch und Reiseführer zu ungeschönten ländlichen Gärten




Freitag, 14. März 2014

Nachhaltig gärtnern (1) – Strom sparen

Von Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt

Nachhaltig Gärtnern heißt die Ressourcen schonen und möglichst wenig Energie verbrauchen. Die Autorin appelliert in diesem Artikel an das Verantwortungsbewusstsein und an das ökologische Gewissen der Gärtnernden. Diese können die Forderungen leicht erfüllen, indem sie wie im Haushalt auch im Garten sparsam mit Materialien und Pflanzen umgehen. Gehen Sie alle Gegenstände Ihres Garteninventars und Gerätearsenals einmal bewusst durch und überlegen Sie, woher die Produkte kommen, aus welchen Rohstoffen sie bestehen und unter welchen Umständen diese gewonnen worden sind. Beziehen Sie auch die Transportwege und den dafür notwendigen Energiebedarf mit ein. Dieselben Fragen, die kritische Verbraucher zur Herkunft und zu den Umständen der Herstellung bei Kleidungsstücken oder Nahrungsmitteln stellen, sind ebenfalls bei den so harmlos und scheinbar „grün“ daherkommenden Gartengeräten und anderen Ausstattungsgegenständen in Gärten angebracht. Die Frage nach dem Energie- und Rohstoffverbrauch, nach dem „ökologischen Fußabdruck“, den wir beim Bewirtschaften und Bewohnen eines Gartens hinterlassen, muss gestellt werden.

Möglichst wenig Strom verbrauchen
Beim Durchblättern von Publikumszeitschriften drängt sich der Eindruck auf, der gärtnernde Mensch komme nicht ohne Rasentraktor, Rasentrimmer, Vertikutierer und Laubaufsauggerät aus. Gerätehersteller und Händler haben neuerdings die „Urbanen Gärtner“ als Zielpublikum entdeckt und wollen ihnen Akkugeräte im Miniformat für ihre Reihenhaus- oder Terrassengärten verkaufen. Damit kehren die Werbestrategen das Anliegen der eigentlichen „Urban Gardeners“ ins Gegenteil um. Die wollen nämlich mit wenig Mitteln und eben ohne zusätzlichen Energieverbrauch Gemüse zur Selbstversorgung heranziehen. Gerade auf einem kleinen städtischen Grundstück brauchen Sie keine Elektrogeräte. Ein paar Sträucher oder niedrige Einfassungshecken lassen sich von Hand stutzen. Und für eine kleine Rasenfläche genügt ein Handmäher. Wir graben ja Beete auch von Hand mit dem Spaten um. Zugegeben, in großen Gärten mit Grünflächen werden Sie kaum ohne Motor- oder Elektromäher auskommen. Es sei denn, Sie greifen zur Sense oder Sie wandeln den Rasen in Beete für Gemüse und Kräuter um. (Eine Anmerkung am Rande: Betrachten Sie die Gartenarbeit auch als Möglichkeit, sich sportlich zu betätigen und die Muskeln zu trainieren. Warum das tägliche Fitnessprogramm nicht im Garten statt auf Trainingsgeräten absolvieren?!)

Quelle: Hohenloher Tagblatt vom 21. August 2013, S. 22: Mit Billigmarke den Trend nutzen. Bosch drängt weiter in den Markt für "urbanes Gärtnern"

Nachhaltig gärtnern (2) – mit möglichst wenig Torf


Von Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt

Auf unserer Checkliste in Sachen Ressourcen schonen steht ziemlich an vorderer Stelle auch der Umgang mit Erden und Substraten. Wussten Sie, dass die handelsüblichen Blumen- und Pflanzerden zum überwiegenden Teil aus Torf bestehen und Rindenhumus und andere kompostierten pflanzlichen Abfallstoffen lediglich beigemischt sind? Zwar bieten einige Öko-Hersteller sogar völlig torffreie Erden an, doch deren Anteil am Gesamtumsatz ist gering. 
Torf stammt – wie jeder weiß oder wissen sollte – aus Hochmooren. Die werden bei der Torfgewinnung unwiederbringlich zerstört. Jeder Käufer von torfhaltiger Blumenerde oder Pflanzerde trägt deshalb zur Zerstörung dieser höchst wertvollen im Laufe von Tausenden Jahren entstandenen Biotope bei – in Deutschland und anderswo. Der Verbraucher ist sich der Auswirkung des eigenen Verhaltens vermutlich gar nicht bewusst.

Naturschützer klärten bereits vor Jahrzehnten über die Problematik des Torfabbaus auf und brachten eine öffentliche Diskussion in Gang. Sie bewirkten tatsächlich, dass die Hersteller Ersatzstoffe entwickelten. Insgesamt hat der Verbrauch an Erden und Substraten seither jedoch stark zugenommen, so dass in der Summe noch mehr Torf als vor Jahrzehnten abgebaut wird. Letztendlich hat alle Überzeugungsarbeit der Naturschützer nichts genutzt; von den 10 Millionen m3 Torf, die in Deutschlands Hochmooren jährlich „abgebaut“ werden, verbrauchen Freizeitgärtner mindestens ein Viertel zur vermeintlichen Bodenverbesserung in ihrem Garten und zum Füllen ihrer Pflanzgefäße und Hochbeete. Mit den Importen liegt der Verbrauch insgesamt noch höher.

Ohne Torf geht’s auch

Gartenbesitzer verbrauchen Torf nicht nur direkt, sondern indirekt auch in Form von zugekauften Topfpflanzen fürs Zimmer, für den Balkon oder fürs Freiland. Denn die Profigärtner nehmen zum Topfen ihrer Pflanzen ebenfalls torfhaltige Substrate. Dass Sie diese verwenden, kann man den Profis nicht verdenken, denn diese sind zugegebenermaßen aus rein ökonomischer und pflanzenbaulicher Sicht unübertroffen. Torfhaltige Substrate sind leicht, sie halten die Feuchtigkeit gut, binden Nährstoffe und geben beides allmählich wieder ab, zudem sorgen sie für gute Belüftung im Wurzelraum der Pflanzen. Und die Substrate laufen in den Topfmaschinen problemlos durch. Ökologisch korrekt aus diversen Komposten hergestellte Alternativprodukte sind für die Profis kein gleichwertiger Ersatz.

Bei der privaten Gartenbewirtschaftung brauchen Sie jedoch keinen Torf und keine aufbereiteten Erden. Den Boden auf den Freilandbeeten können sie nachhaltiger durch Gaben von Kompost, durch konsequentes Mulchen und Gründüngung sowie durch Zugabe von Steinmehl, Tonmehl oder Sand verbessern. Gerade mit den Methoden des biologischen Gartenbaus haben sie hier beste Möglichkeiten an der Hand. Allenfalls bei der Jungpflanzenanzucht sind Sie auf kleine Mengen torfhaltigen Substrats angewiesen.

Mittwoch, 26. Februar 2014

"Ackerhelden" fassen Mut – zum Radieschenanbau


"Ackerhelden" wollen ohne lange Vorarbeit knackig scharfe Radieschen ernten. Foto: Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt

Es ist ja erfreulich, dass sich wieder mehr Menschen für das Land und für die Landbewirtschaftung interessieren und selbst Garten- oder Ackerbau betreiben wollen. Doch wie stellen sie das an, wenn sie kein Land besitzen? Pachten ist normalerweise die Lösung. Für ein solches Pachtverhältnis gibt es viele Varianten: Kleingarten innerhalb einer Kleingartenkolonie, Grundstück auf städtischem Grund, Parzelle von privatem Grundstücksbesitzer ... Doch für junge Leute, die nur kurze Zeit an einem Ort sind, ist eine solche eher langfristig angelegte Pacht uninteressant, außerdem ist die Nachfrage nach Pachtgrundstücken in manchen Großstädten wohl recht groß. 

Jetzt gibt es eine weitere Variante, wie aus einem Spiegel-Artikel (3/2014, S. 79) hervorgeht. Es ist  eine Art Unterverpachtungssystem, das eine temporäre Nutzung ermöglicht. Zwei Männer aus Essen haben sich das Geschäftsmodell ausgedacht. Am Rand von norddeutschen Städten pachten sie Ackerflächen an und verpachten diese parzellenweise weiter:  Die Partner vor Ort säen die jeweils 40 Quadratmeter großen Parzellen im Frühjahr ein oder bepflanzen sie. Für 248 Euro pro Saison wird man Nutzer, nein "Ackerheld". – Denn unter dem werbewirksamen Label "Ackerhelden" vermarkten die Neubauern ihre Geschäftsidee.

Doch wie sieht das Modell konkret in der Praxis aus: Wer kümmert sich um die Grundbodenbearbeitung, also wer pflügt und eggt das Land? Wer steckt die Parzellen ab? Wer kümmert sich vor Ort um das Drumherum, also um Zufahrts- und Erschließungswege, um Einzäunungen, um Unterstellmöglichkeiten für Geräte, um die Gerätepflege? Und was geschieht mit den Ernteabfällen? Gibt es eine Fruchtfolgeplanung?

In Teltow südwestlich von Berlin beispielsweise befinden sich die Parzellen auf dem Gelände des Biolandhofs Obst- und Gemüsehof Teltower Rübchen. Der Biolandwirt pflügt und eggt und sät oder pflanzt das Gemüse. Um die weitere Pflege während der Saison von Mai bis November müssen sich die Kleinbauern in spe selber kümmern. 

Als Belohnung winkt eine reiche Ernte. Von 40 Quadratmetern können sich zwei Personen normalerweise gut selbst mit Gemüse versorgen. Nur müssen sie wissen, wie man das praktisch macht. Die zwei Stunden Zeitaufwand pro Woche, die die "Ackerhelden" veranschlagen, dürften für die Selbstversorgung mit Gemüse kaum ausreichen. Zumal der Zeitaufwand für die Fahrt zum Acker noch hinzugerechnet werden muss. So einfach, so easy, wie das Bewirtschaften des Landes auf dem geduldigen Papier erscheinen mag, ist es in der Praxis nicht. Das werden auch die vermeintlichen Ackerhelden früher oder später merken. Vor allem dann, wenn sie einen Kampf gegen das Unkraut führen müssen.

Montag, 24. Februar 2014

Deutsches Brot soll Weltkulturerbe werden

Nur 22 von über 3000 Brot- und Gebäcksorten, deren Rezepte die Bäcker in Deutschland gesammelt haben.            Fotos (2): Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt
Auftaktveranstaltung zum Weltkulturerbe-Antrag am 18.2.2014  in den Räumen des Verbandes Die Lebensmittelwirtschaft (v.l.n.r.): Peter Becker, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks, Stephan Becker-Sonnenschein, Geschäftsführer des Verbandes Die Lebensmittelwirtschaft, Dr. Andrea Fadani, Leiter des Deutschen Brotmuseums in Ulm, Prof. Michael Kleiner, Leiter des Instituts für Lebensmittel- und Getränkeinnovation an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW und Bäckermeister

Der türkische Kaffee steht schon drauf. Die japanische Küche und die Mittelmeer-Diät auch – auf der UNESCO-Liste des erhaltenswerten immateriellen Weltkulturerbes. Jetzt bewerben sich die deutschen Bäcker mit ihrer Brotvielfalt und Tradition und die deutschen Brauer mit ihrem Reinheitsgebot um die Aufnahme in die Liste.

Peter Becker, der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks, begründet die Bewerbung. In Deutschland habe sich eine weltweit einzigartige Brotkultur mit vielen regionalen Besonderheiten entwickeln können: im Süden eher mit milderen Brotsorten, im Norden mit kräftigeren. Der Verband habe über 3000 Rezepte gesammelt und dokumentiert. Becker erklärt, dass er schon einige Jahre im Sinn gehabt hätte, den Antrag auf Aufnahme in die UNESCO-Liste des immateriellen Weltkulturerbes zu stellen, dass dies aber erst 2013 durch die Ratifizierung des UNESCO-Abkommens durch Deutschland möglich geworden sei. In einem langwierigen Antrags- und Entscheidungsverfahren werde die Entscheidung erst 2016 fallen. Er sei sehr zuversichtlich, dass die Bäcker Erfolg haben werden. Becker sieht in der Aufnahme in die Weltkulturerbeliste die Chance, den Betrieben Stolz zu vermitteln und gleichzeitig die Wertschätzung von Brot und Backwaren in der Bevölkerung zu verbessern. Das Bäckerhandwerk hätte zudem in den deutschen Landwirten und Mühlen sehr gute Partner, die auch seltene Getreidearten anböten.

Dr. Andrea Fadani vom Deutschen Brotmuseum in Ulm nennt die Gründe für die Brotvielfalt: Deutschland liege an der Schnittstelle vom Roggen- und Weizenanbau und demzufolge gebe es auch so viele Verarbeitungsmethoden und Rezepte für Gebäck aus den verschiedenen Getreidearten. In Deutschland mit seiner föderalistischen Struktur hätten sich zudem regionale Besonderheiten besser halten können, anders als in Frankreich mit seiner zentralistischen Struktur. Als dritten Grund nennt Fadani historisch betrachtet das Zunftwesen, aber auch ganz aktuell den hervorragenden Ausbildungsstand im deutschen Bäckerhandwerk mit seiner Kombination von Praxis und Berufsschule.

Prof. Michael Kleinert untersucht am Züricher Institut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation wie und warum Brot schmeckt. Er stellt fest, dass sich die Bäcker wieder mehr um den Geschmack kümmerten. Geschmack brauche Zeit – eine lange Ruhezeit des Teiges und eine längere Backzeit. Die „Kruste“ sei wieder wichtig. Die Bäcker setzten weniger Hefe als Triebmittel, stattdessen zunehmend Sauerteig auch bei Weizenbackwaren ein. Für die Brotkunden bleibe der Genusswert des Brotes am wichtigsten, aber auch der Gesundheitswert sei wichtig.

Sonntag, 23. Februar 2014

Warum Mondkalender und Aussaattagekalender Nonsens sind

Die Anfrage einer Journalistenkollegin veranlasst mich, Stellung zu Mondkalendern zu beziehen. Mondkalender und Aussaattagekalender sind, ich kann es nicht anders sagen, esoterischer Unsinn – Astrologie für Pflanzen!

Niemand braucht sie, um einen Garten bewirtschaften und gute Ernten erzielen zu können. Im professionellen Land- und Gartenbau richtet sich meines Wissens niemand (außer ein paar anthroposophischen Landwirten und Gärtnern, die ihre Radieschen nach dem Thunschen Aussaattagekalender säen) nach den obskuren Mondregeln. Warum wohl? Weil sie bedeutungslos, falsch oder frei erfunden sind.

Vor 25 Jahren gab es keine Mondkalender. Es existierte lediglich der Aussaattage-Kalender von Maria Thun, der seit den 1960er-Jahren auf dem Markt ist. In Gartenratgebern wurde der Mond nicht (oder allenfalls in anthroposophisch orientierten Büchern) erwähnt, ebensowenig Gestirnskonstellationen. Erst etwa ab 1990 kamen in Deutschland und Österreich solche Publikationen auf den Markt und wurden vielfach kopiert.

Von der großen Nachfrage nach solchen Publikationen profitieren Mondkalenderautoren und Verlage, die die Kalender in immer neuen Varianten und mit phantasievoller graphischer Aufarbeitung auf den Markt bringen. Die konstruierten Mondkalender leben von ihrem wesentlichen Element, den Sternbildern bzw. Sternzeichen und den vielen Entsprechungen. Diese Details lassen sich gut illustrieren; die bildhafte Darstellung spricht eine bestimmte Käuferklientel an. Dass namhafte Verlage, sogar landwirtschaftliche Fachverlage, diese Kalender drucken, bedeutet jedoch nicht, dass das Gedruckte auch stimmt. Es bleibt trotzdem Nonsens.

Mit ein paar Sätzen lässt sich das vielschichtige Phänomen nicht erklären. Um ihm auf die Spur zu kommen, muss man sich in Pflanzenbau und Versuchswesen, in Astronomie und ebenso in Psychologie und Volkskunde sowie im Verlagswesen kundig machen und die Hintergründe und geschichtlichen Entwicklungen kennen. Zum Weiterlesen empfehle ich meinen ausführlichen Artikel
http://www.bross-burkhardt.de/resources/Mondkalender+und+Aussaattage-Kalender +kritisch+betrachtet.pdf

Samstag, 15. Februar 2014

Was Veganismus mit unserem Landschaftsbild und Biodiversität zu tun hat


Bei Aufgabe der Milchwirtschaft würden viele Wiesen und Weiden aus dem Landschaftsbild verschwinden.            Foto: Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt


Die Veganer, die ich kenne, schwärmen von der Natur. Sie genießen es, sich in vielfältiger Kulturlandschaft mit Wiesen und Weiden, Rainen und Streuobstbäumen zu bewegen. 

Dieses Lebensgefühl sei ihnen gegönnt. Allerdings steht es im Widerspruch zu ihrer Ernährungs- und Lebensweise. Denn wenn viele Menschen keine Milchprodukte mehr verbrauchten, würden Wiesen und Weiden sehr bald verschwinden. Diese Landschaftselemente gibt es nur, weil es (Milch-)Viehhaltung gibt. Ein Naturerleben wie wir es heute kennen, wäre dann nicht mehr möglich. Doch wie hängt das zusammen?

Unsere Kulturlandschaft bildete sich über Jahrtausende und Jahrhunderte hinweg durch Eingriffe des Menschen in die bestehende Vegetation mit Urwäldern heraus. Die Menschen schafften durch Rodung der Wälder, Weidewirtschaft und Ackerbau ihre fein differenzierten Kulturlandschaften. Kulturlandschaften sind derzeit vielen Bedrohungen ausgesetzt: ausuferndem Siedlungs- und Straßenbau, Übernutzung durch intensive Landbewirtschaftung, Anbau von Energiepflanzen ... und – bei etwas spitzfindiger Betrachtungsweise – konsequentem Veganismus, der Nutztierhaltung ablehnt.

Es ist zwar kaum vorstellbar, dass die gesamte Menschheit oder gar nur ein nennenswerter Teil zum Veganismus umschwenkt. Insofern ist das hier aufgezeigte Szenario hypothetisch. Aber konsequent zu Ende gedacht bedeutet vegane Lebensweise, dass Wiesen und Weiden aus unserer Landschaft verschwinden.

Denn nur Tiere (Rinder, Schafe, Gänse usw.) können das dort wachsende Gras fressen und verdauen. Wiesen und Weiden lassen sich in vielen Fällen nicht in Ackerland umwandeln. Um das vertraute Landschaftsbild zu erhalten, müssten Landschaftspfleger das Grünland regelmäßig mähen. Doch das macht wenig Sinn, genauso wenig wie das Rasenmähen im Garten. Über kurz oder lang würde sich die natürliche Vegetation das Terrain zurückerobern; das einstige Grünland würde zum Wald. (Es sei denn, man würde den Aufwuchs an Gräsern und Kräutern zur Energiegewinnung in Biogasanlagen einsetzen. Doch diesem Diktat der Energieerzeugung um jeden Preis sollte sich die Landschaft nicht auch noch unterwerfen lassen.) So sehr wir unsere Wälder mögen und brauchen, so wenig wünschenswert wäre diese Rückentwicklung. Ganz abgesehen von der direkten Wirkung auf die menschliche Psyche würden viele Tier- und Pflanzenarten verschwinden, weil ihnen ihre Lebensräume fehlen. Eine solche Entwicklung wünschen sich naturverbundene Veganer sicher auch nicht.

Mittwoch, 12. Februar 2014

Veganer und die Milch – warum Veganer Milchprodukte ablehnen


Vegetarier sehen das Züchten, Transportieren und Schlachten der Tiere als Quelle unnötigen Leides für diese an und lehnen den Fleischgenuss aus Mitgefühl für die wehrlose Kreatur ab. Veganer teilen diese Einstellung. Sie lehnen jedoch auch Milch und Milchprodukte ab, unter anderem deshalb, weil sie den Zusammenhang der Milchwirtschaft mit dem Schlachten der Tiere sehen.

Milchviehhaltung geht immer mit der Geburt von Kälbern einher. Kühe geben wie alle Säugetiere nur Milch, wenn sie ein Junges geboren haben. Je länger das Kalben zurückliegt, desto weniger Milch fließt. Milchkühe müssen deshalb aus Wirtschaftlichkeitszwängen heraus möglichst bald wieder trächtig werden und ein neues Kalb gebären.

Kühe bringen etwa gleich viel weibliche und männliche Kälber zur Welt. Diese werden zum Teil noch als Kalb geschlachtet. Milchviehhalter nehmen ausgewählte Kuhkälber nach der Aufzucht in ihre Milchkuhherde auf. Bullenkälber jedoch werden – bis auf wenige zur Zucht bestimmte Tiere – gemästet und nach ein bis eineinhalb Jahren geschlachtet. Letztendlich landen Rinder also immer auf der Schlachtbank. Insofern ist es konsequent, wenn Veganer auch Milch- und Milchprodukte ablehnen, da bei der Milchkuhhaltung natürlicherweise Nachkommen „produziert“ werden, die dieses Schicksal erleiden.

Mittwoch, 5. Februar 2014

Vegan - freut Verlage

Es ist schon verblüffend, wie eine extreme Ernährungs- und Lebensweise von Außenseitern zum Trend wird. Oder zum Trend gemacht wird. Denn die Medien stürzen sich wie ausgehungert auf  Veganisches und propagieren es. Die Verlage überschwemmen den Buchmarkt mit hunderten von Titeln. In der Osianderschen Buchhandlung in Schwäbisch Hall (und sicher nicht nur dort) stapeln sich Bücher über vegane Ernährung und ebensolche Lebensweise. (Nur nebenbei bemerkt: Gartenbücher sind demgegenüber zu einem kleinen, fast zu vernachlässigenden Segment geworden.)

Noch vor einem Jahr kannte nur ein kleiner Kreis von Eingeweihten den Begriff "vegan". Lediglich in Großstädten, allen voran in Berlin, gab es da schon vegane Restaurants und Läden. Die Trendwelle scheint jetzt sogar aufs Land übergeschwappt zu sein.

Ich bin gespannt, wie lange sich der Trend hält. Sicher wird er bald wie ein Spuk vorüber sein. Denn das vegane Leben ist anstrengend! Wer konsequent vegan lebt, steht täglich stundenlang in der Küche und ist zuvor damit beschäftigt, die veganen Zutaten zu besorgen. So viel Ausdauer hat auf Dauer kaum jemand!

Sonntag, 19. Januar 2014

Natürlich Wolle - Werkstattbericht

Vorwort und Werkstattbericht zum neu erschienenen Buch "Natürlich Wolle"

Handgesponnene Wolle, gezwirnt und ungezwirnt. 

Mit Pflanzen gefärbte Wolle in meinem Garten. Fotos (2): Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt

In dem im Herbst 2013 im BLV-Verlag erschienenen Buch "Natürlich Wolle", dessen Autorin ich bin, fehlt das Vorwort. Da es von Verlagsseite her nicht vorgesehen war, liefere ich es an dieser Stelle nach. (Generell halte ich ein Vorwort der Autorin/des Autors in Büchern für sinnvoll, denn es die einzige Stelle in einem Sachbuch wie diesem, wo eine persönliche Stellungnahme zur Thematik möglich ist.)

Dieses Buch war eine Auftragsarbeit mit einem bereits ausgearbeiteten Konzept, das ich nur noch minimal verändern und beeinflussen konnte. Ich stieg auf Bitten des Verlags in das Buchprojekt ein, weil die ursprünglich vorgesehene Autorin aus Krankheitsgründen nicht mehr an dem Projekt weiterarbeiten konnte. Um die Strick- und Filzmodelle brauchte ich mich nicht zu kümmern. Handarbeiten sind eigentlich nicht mein Themenkreis, mit dem ich mich normalerweise befasse. Ich sah jedoch Anknüpfungspunkte an meine berufliche Arbeit als Fachredakteurin, bei der ich zeitweise auch für Schafhaltung zuständig war. Mit dem Schreiben des Buches hoffte ich so auch, einen Beitrag zur Förderung der heimischen Schafhaltung und damit zur Landschaftspflege mit Tieren leisten zu können.

Ein anderer Grund, mich auf das Buchprojekt einzulassen war,  dass ich die Vorteile und die angenehmen Trageeigenschaften von Wolle herausstellen und den Lesern nahe bringen wollte. Ich selbst trage sehr gerne Wollkleidung. Beim Einlesen in die Thematik fand ich zunehmend Gefallen an dem Thema, insbesondere an den kulturgeschichtlichen Aspekten der Wollverarbeitung.

In diesem Buch gebe ich einen Überblick über den Rohstoff Wolle mit allen Verarbeitungsschritten von der Schafschur bis zu fertigen Handarbeiten. In dem vorliegenden Konzept war es nicht vorgesehen, detaillierte Anleitung zu geben. Dazu war der Platz im Buch (und der Zeitrahmen zum Schreiben) zu knapp bemessen. Deswegen beschränkte ich mich im Webkapitel auf das Weben mit dem Handrahmen. Ziel war, jeweils nur das Prinzip der Verarbeitungstechniken zu vermitteln.

Als ich mich auf das Projekt einließ, war mir klar, dass ich nicht alle Verarbeitungsschritte selbst handwerklich nachvollziehen kann. Dazu war in den sechs Wochen, die ich bis zum Abgabetermin hatte, einfach nicht genügend Zeit. Ich bat meine frühere Nachbarin, Barbara Raßl-Krettenauer, die schon sehr lange in der Wollwerkstatt auf der Brettachhöhe im Nachbarort arbeitet, um fachlichen Rat. Sie zeigte mir die Werkstätten und Wollverarbeitungsmaschinen in der bundesweit bekannten Behinderteneinrichtung: die Kardiermaschinen, die Spinnerei, die Filzwerkstatt, die Teppichweberei, die Strickmaschinen usw.. Barbara setzte sich für mich ans Spinnrad und zeigte mir genau, wie man spinnt. Dafür bin ich ihr sehr dankbar. Ich selbst arbeitete mich ins Wollefärben ein und machte mit kleinen Wollmengen Färbeversuche. Die Ergebnisse faszinierten mich. Dieser Aspekt der Wollverarbeitung brachte mich nahe an mein ureigenes Themengebiet, die Botanik, und versöhnte mich mit dem anfangs etwas fremden Buchprojekt.

An der Bildredaktion des Buches war ich nicht beteiligt. Der Verlag wollte Bilder im soften "Landleben"-Touch, um eine bestimmte LeserInnengruppe anzusprechen. So sind lediglich die Bilder vom Wolle färben und einige Bilder vom Spinnen am Spinnrad von mir. An einigen Stellen steht die Bebilderung im Widerspruch zum Text, beispielsweise zeigen einige Bilder das Spinnen von Flachs und nicht das von Wolle, um die es in diesem Buch eigentlich geht. Jetzt hoffe ich, dass bei einer eventuellen Neuauflage des Buches Bildmotive ausgetauscht werden können, um das Buch zu optimieren.