In diesem großen bäuerlichen Nutzgarten gedeiht Gemüse zur Selbstversorgung. Alle Möglichkeiten der Ernteverfrühung werden genutzt. Fotos (3) Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt |
Traditionelle ländliche Gartenformen in Süddeutschland - Gärten am Bauernhof, ländliche Hausgärten, Krautgärten, Teil 1
Von Dr. rer. agr. Brunhilde Bross-Burkhardt
Die Publikumspresse ist
derzeit voll von Artikeln über gemeinschaftliche gärtnerische Aktivitäten im
städtischen Raum oder über opulente Vorzeigegärten. In den Medien liest man
jedoch kaum etwas über ländliche Gärten. Das mag u.a. daran liegen, dass die
normalen Nutzgärten unspektakulär sind und mit ihrem ungeschönten
Erscheinungsbild kaum den ästhetischen Vorgaben der Buch- und
Zeitschriftenverlage entsprechen.
Dabei geschieht in
diesen Gärten ungeheuer viel. Hier gedeiht das Obst und Gemüse, mit dem die
Bevölkerung sich zu einem guten Teil selbst versorgt. Sie sind Teil des
Alltagslebens und nicht die Bühne für Selbstinszenierungen oder Müßiggang. Es
liegt deshalb nahe, auch diese traditionellen ländlichen Gärten gebührend zu
würdigen. Bei genauer Betrachtung ergibt sich ein sehr differenziertes Bild der
Gartenformen auf dem Land. In diesem Artikel stelle ich die Einbindung in die
Siedlungsstruktur in den Mittelpunkt und nicht, wie üblich in Veröffentlichungen
über Gärten, die Gestaltung oder Anbaufragen.
Fast wie im Gewächshaus:
nach Süden ausgerichteter Nutzgarten mit Zierpflanzen, Gemüse und Weinstöcken
an der Stallmauer.
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Formen privater Gärten auf dem Land (Nutz- und
Ziergärten)
(Differenzierung nach
Siedlungsstruktur)
- Gärten
an landwirtschaftlichen Hofstellen im dörflichen Umfeld oder an Einzelhöfen bzw.
Aussiedlerhöfen. Oft sehr große Nutzgärten zur weitgehenden
Selbstversorgung. Gärten als Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche.
- Gärten
im alten Siedlungskern der Ortschaften. Diese sind entsprechend der Besitzstruktur oft kleinflächig
und zerstückelt, der Bebauung angepasst.
- Hausgärten
von Privathäusern. Auf dem
Land und in älteren Siedlungen der Kleinstädte sind Hausgärten oft 800 bis
1000 Quadratmeter groß oder noch größer. Neue Baugrundstücke werden meist
mit 300 bis 500 Quadratmetern Fläche ausgewiesen.
- Gartengrundstücke
außerhalb der Ortschaften,
in Süddeutschland als „Stückle“ oder „Gütle“ bezeichnet. Neben Gemüse mit
Obstbäumen und Beerensträuchern und anderen Dauerkulturen; häufig
eingezäunt oder von einer Hecke umgeben.
- Private
Gartenparzellen (Krautgärten)
einzeln oder im Verbund am Rand von Ortschaften, meist nicht eingezäunt.
Oft im Überflutungsbereich von Bächen und Flüssen.
Intensiv
bewirtschafteter bäuerlicher Nutz- und Ziergarten mit einer Vielfalt an Gemüse,
Kräutern und Blumen.
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An die ursprüngliche
Bedeutung des Begriffs „Garten“ fühlt man sich am ehesten beim Betrachten von
ländlichen Gärten erinnert – bei Gärten an Hofstellen von Einzelhöfen, in
Weilern oder kleinen Dörfern. Diese Gärten existieren oft schon seit Jahrhunderten,
so lange wie die Höfe selbst. Zu vielen Hofstellen gehören große, offen
daliegende und gut einsehbare Nutzgärten, im Idealfall umrahmt von einem
Lattenzaun. Viele dieser Gärten sind aus praktischen Erwägungen nicht mehr
eingezäunt, weil Zäune in der heutigen Zeit kaum mehr nötig sind und ihre
Erhaltung sehr aufwändig ist.
Genau genommen gehörten
zu den Hofstellen bis in die jüngste Vergangenheit oft mehrere Gärten mit
differenzierter Bepflanzung und Nutzung: der Sommergarten bzw. Küchengarten in
Hausnähe, der Obstgarten sowie der Krautgarten auf dem Acker außerhalb in der
Feldflur.
Verzierter Nutzgarten oder Sommergarten
In ländlichen Regionen
entdeckt man häufig noch sehr große Nutzgärten, die das Ortsbild bestimmen. Sie
sind vielfach als traditionelle „verzierte Nutzgärten“ angelegt. In diesen
Gärten in Hausnähe, den so genannten „Sommergärten“ oder „Küchengärten“, wurde
früher das „feine“ Gemüse – Salate, Erbsen, Bohnen usw. – angebaut, während das
„grobe“ Gemüse – Kraut, Lauch und Zwiebeln – auf dem Acker stand. Das
Gemüseland ist in den verzierten Nutzgärten umsäumt von Rabatten mit
Sommerblumen und Stauden. Etwas Beerenobst wird ebenfalls in diesen hausnahen
Gärten kultiviert. Sträucher und hohe Bäume gibt es hier dagegen selten, weil
diese dem lichtbedürftigen Gemüse zu viel Licht wegnehmen und dadurch den
Ertrag schmälern würden.
Der Nutzgarten kann auf
den Hofstellen vor oder neben dem Haus oder etwas abgerückt vom Haus angelegt
sein. Manchmal sogar auf der anderen Straßenseite oder etwas weiter entfernt,
je nach Topographie oder je nachdem, wo die Familie Land besitzt. Im Rahmen der
Besitzgrenzen ist das Kleinklima entscheidend für die Auswahl des
Nutzgartengeländes. Die Landbewohner wählten schon immer mit Bedacht sonnige
und windgeschützte Flächen für die Gartennutzung aus. Sie wussten, dass nur an
solchen Stellen Gemüse und Obst gut und gesund heranwachsen kann.
Obstgarten in Hausnähe
Der Obstgarten befand
und befindet sich ebenfalls meistens in Haus- und Stallnähe. Dieser diente und
dient oft als Hühnerauslauf. Den Ertrag der Streuobstbäume, der Äpfel,
Mostbirnen und Zwetschgen brauchte man für die Mostbereitung und zum
Schnapsbrennen. Schattige Obstgärten mit Hochstammobst legten sich wie ein
Gürtel um kleine Dörfer und bildeten den Übergang in die freie Landschaft. In
manchen Regionen ist dies heute noch so. Gerade diese Obstbaumgürtel um die
kleinen Ortschaften machen den Reiz einer ländlichen Umgebung aus.
Krautgärten in der Feldflur
So groß diese Gärten am
Haus auch sein mögen – für die Selbstversorgung reichte die Fläche in früheren
Zeiten trotzdem nicht aus. Deshalb wurden Flächen in der Feldflur für das
„grobe“ Gemüse in Kultur genommen; also für das Gemüse, das wenig Pflege
braucht und weitgehend sich selbst überlassen werden kann. Das sind vor allem
Kartoffeln, Zwiebeln, Lauch, Gelbe Rüben, Rote Rüben, Kraut und manchmal auch
Erdbeeren. (Häufig wird lediglich das Grobgemüse als „G’müs“ bezeichnet. Grüne
Salate gelten nicht als Gemüse.)
Solche Krautgärten gibt
es vielfach auch heute noch. Auf Höfen, die Ackerbau betreiben, laufen die
Gemüseanbauflächen am Rand von Getreideäckern oder Rüben- bzw. Kartoffeläckern
einfach so mit. Sie entstehen jedes Jahr entsprechend der landwirtschaftlichen
Fruchtfolge an einer anderer Stelle neu, sie wandern. So wird automatisch auch
bei den gärtnerischen Kulturen die Fruchtfolge eingehalten.
Die Streifen fürs
Gemüse werden bei der Bearbeitung der Ackerflächen mitgepflügt und geeggt. Nur
die Unkrautbekämpfung während des Sommers erfolgt – abgesehen vom Säen,
Pflanzen und Ernten – von Hand. Bei den genannten Gemüsearten reicht es, sie
alle paar Wochen einmal durchzuhacken, um den Boden zu lockern und zu belüften
und dabei auch das meist reichlich erscheinende Unkraut abzuhacken. Diese
Gemüse müssen ohne Bewässerung auskommen. Das funktioniert normalerweise sehr
gut. Nur bei sehr lang anhaltender Trockenheit muss eventuell zusätzlich
bewässert werden. In dem Fall kommt das Gießwasser aus Wassertanks oder aus alten
Jauchefässern am Rand des Ackers.
Der extensive
Gemüseanbau auf dem Acker ist sinnvoll. Zwiebeln und Möhren vom Acker wachsen
meistens viel größer und gesünder als die auf normalen Gartengrundstücken. Das
kann verschiedene Gründe haben: 1. weil der nötige Fruchtwechsel eingehalten
wird; 2. weil der Boden durch die Düngung der landwirtschaftlichen Kulturen gut
mit Nährstoffen versorgt ist, und 3. weil die Gemüse nicht bedrängt von anderen
Kulturen oder von Schattenwurf sind und sich gut entfalten können. Bei der
Kultur von Möhren auf dem Acker zeigt sich immer wieder, dass sie hier kaum von
der Möhrenfliege heimgesucht werden, die im Garten häufig großen Schaden
verursacht und die Möhrenkultur im Hausgarten nahezu unmöglich macht.
Ein ländlicher Garten ist kein „Bauerngarten“
Die hier vorgestellten
Gartenformen möchte ich nicht als „Bauerngärten“ bezeichnen, auch wenn sich
dieser Begriff aufdrängt. Aber dieser Begriff ist aufgesetzt und falsch. Er
bezieht sich auf die Gestaltung und nicht auf die Funktion. Mit den geschönten,
aufwändig gepflegten „Bauerngärten“ der Gartenmagazine haben die wirklichen
ländlichen Gärten ohnehin kaum etwas gemein. Die Gärten an landwirtschaftlichen
Betrieben laufen nebenher, je nachdem, wie viel Zeit zur Bewirtschaftung
bleibt. Es geht nicht darum, die Gärten zum Vorzeige- oder Prestigeobjekt zu
machen. Obwohl die GärtnerInnen sicher nichts dagegen haben und stolz darauf
sind, wenn der Garten schön und gepflegt aussieht. Es ist eben eine Frage der
für die Gartenarbeit zur Verfügung stehenden Zeit. Wenn schon, müssten diese
Gärten genau genommen Bäuerinnengärten heißen. Denn es sind hauptsächlich die
Frauen, die Gärten auf den Höfen bewirtschaften. Und gerade die Bäuerinnen
pflegen die Gärten mit Sachverstand. Es ist die einzige Berufsgruppe in
Deutschland, die den Hausgartenbau im Rahmen ihrer Ausbildung in Ländlicher
Hauswirtschaft oder als Dorfhelferin theoretisch und praktisch vermittelt
bekommt.
Ländliche Gärten im Wandel
Die Bäuerinnen passen
ihre Gartennutzung den Notwendigkeiten an. Sie haben die Gartenfläche
verkleinert, weil auf den Höfen nur noch wenige Menschen leben. Hinzu kommt,
dass viele Familien die Landwirtschaft aufgegeben haben oder nur noch
Teilflächen bewirtschaften. Doch selbst wenn kein Ackerbau und keine
Viehwirtschaft mehr betrieben werden, bleibt der Hof mit seinen
Funktionsgebäuden, mit Ställen, Scheunen, Schuppen, Hühnerställen, usw.
erhalten, und eben auch die Gärten. In manchen Regionen mit traditionellen
Siedlungsstrukturen trifft man diese Gartenformen noch häufig an.
Traditionelle Siedlungsstrukturen
haben sich vor allem in Regionen mit Anerbenrecht erhalten, wobei der Besitz an
einen Erben übergeht und in seiner Gesamtheit erhalten bleibt. In so genannten
Realteilungsgebieten dagegen wurde der Besitz durch wiederholte Erbteilungen gestückelt;
die Landwirtschaft ist hier kleinstrukturierter mit kleineren Hofstellen und
kleineren Gärten.
In größeren
prosperierenden Dörfern in Stadtnähe mit einem Gürtel von Neubausiedlungen hat
sich die Siedlungsstruktur stärker verändert als in abgelegenen Dörfern, und
demzufolge auch die Flächennutzung in den Siedlungen. Freie Flächen an
Hofstellen wurden umgenutzt, Gartenflächen wurden mit Garagen oder neuen
Häusern überbaut oder zu Stellplätzen umgewandelt. In einem solchen Umfeld
blieben oft nur zwischen Neubauten eingezwängte Restgärten übrig.
Der „Garten“-Begriff in der Geschichte der Gartenkultur
Das Wort „Garten“ leitet sich etymologisch von dem indogermanischen Begriff „gher“ für "Gerte" ab. Der Garten war also ursprünglich das von Gerten (dünnen, biegsamen Stöcken, beispielsweise Haselnuss- oder Weidenruten) umgrenzte Landstück.
In der Frühzeit der Besiedlung unseres Raumes unterlag das Land einem strengen Flurzwang. Einzig der Garten durfte individuell bewirtschaftet werden; er hatte einen hohen Schutzstatus, genauso wie die Hofstatt, und musste mit einer festen, dichten, ganzjährigen Umzäunung versehen werden. Die Eingertungen bzw. Einzäunungen hatten zum einen die praktische Funktion, die Gärten vor Wild und Diebstahl zu schützen; sie markierten jedoch gleichzeitig die Grenzen des Besitzes und hatten so eine rechtliche Bedeutung. In der mittelalterlichen Gesellschaftsordnung war der „garto“ teilweise oder ganz von der Zahlung des Zehnten an den Grundherren ausgenommen.
Literaturhinweise:
Brunhilde
Bross-Burkhardt: Mein Küchengarten. BLV-Buchverlag, 2012
Brunhilde
Bross-Burkhardt; Bärbel Schlegel: Bauerngärten in Baden-Württemberg.
Silberburg-Verlag, 2002 (nur noch antiquarisch) – Gartenbuch und Reiseführer zu ungeschönten ländlichen Gärten
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