Freitag, 19. Februar 2016

Für Landkauf einfach stiften gehen


Die Zukunft der Landwirtschaft mitgestalten

Von Berthold Burkhardt



 Von Anfang spielt der Feldgemüsebau auf dem Wacholderhof eine große Rolle. Fotos: Brunhilde Bross-Burkhardt



Die Gärtnerhof-Stiftung sucht Kapital zum Zukauf von Land für den Gärtnerhof Wacholderhof und wendet sich mit der Bitte um Unterstützung an alle, die die Zukunft der Landwirtschaft mitgestalten wollen.

Was ist ein Gärtnerhof?
Der Name sagt es schon recht klar. Gartenbau und Landbau bilden bei einem Gärtnerhof eine Einheit. Alles ist kleinstrukturiert und vielfältig mit kleinen Äckern und Gewächshäusern, Streuobstwiesen und Weiden, Wald und eine kleinen Tierhaltung. Dies ist eine heute kaum noch praktizierte Form der Landbewirtschaftung.


Der Blick vom Waldrand auf die Rückseite der Hofstelle mit dem Offenstall für die Limpurger Rinder.

Was ist die Gärtnerhof-Stiftung?
Die Stiftung unterstützt den Gedanken von der Landbewirtschaftung nach dem Gärtnerhof-Modell. Ihr gehört der Gärtnerhof Wacholderhof mit Gebäuden und Land schon seit etwa 30 Jahren. Eine Erbschaft, die der Gesellschaft Boden und Gesundheit e.V. zufiel, ermöglichte einst den Kauf des Anwesens. Mehr dazu siehe http://navigatorin.blogspot.de/2014/04/die-gesellschaft-boden-und-gesundheit.html

Was ist der Wacholderhof?
Der Wacholderhof ist ein kleiner Hof im Schwäbischen Wald, der seit 1988 nach Bioland-Richtlinien arbeitet. (Biologisch bewirtschaftet wird er schon seit 1980.) Der Hof liegt etwa fünf Kilometer außerhalb der Stadt Murrhardt in Baden-Württemberg,; es ist eine der Streusiedlungen im Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald in etwa 500 Metern Höhe. Der Hof ist im Eigentum der Gärtnerhof-Stiftung. Die Arbeit auf dem Hof verantwortet der gemeinnützige Wacholderhof-Verein. Hierzu mehr unter www.wacholderhof-ev.de

Eine gute Gelegenheit zum Kennenlernen des Wacholderhofs bieten der Tag der offenen Tür am 1. Mai 2016 und das Erntedank-Hoffest am 3. Oktober, jeweils von 11 bis 17 Uhr.
Man kann auch einfach als Gast auf den Wacholderhof kommen und hier erholsame Ferien mitten in der Natur verbringen. Es gibt eine Ferienwohnung, drei Mehrbettzimmer, insgesamt 28 Plätze zum Übernachten. Jakobspilger, Wanderreiter und Radfahrer sind willkommen.


In den beiden Foliengewächshäusern wachsen Salate und andere Feingemüse zur Direktvermarktung auf Wochenmärkten heran.


Der Wacholderhof hält eine Herde der regionalen Rinderrasse Limpurger Rind.


Landkauf in naher Zukunft nötig
Der Wacholderhof hat knapp fünf Hektar eigenes Land, davon sind 2,5 Hektar Wald oder bebaut. Streuobstwiesen, Ackerflächen, Gewächshauser gehören dazu. Um die Gärtnerhof-Arbeit einigermaßen wirtschaftlich betreiben zu können, musste von Anfang an Land in der Nachbarschaft dazugepachtet werden. Diese Pachtverträge sind nun in Gefahr, zum Beispiel, wenn Erben das geerbte Land verkaufen wollen. Dann sollte die Gärtnerhof-Stiftung beim Bieten mithalten können.

Um die landwirtschaftlichen Flächen kaufen zu können und damit die wirtschaftliche Grundlage für die Wacholderhofarbeit zu sicher, dafür braucht es Kapital. Die Stiftung hat nicht ausreichend Kapital. Deshalb sind Zustiftungen egal in welcher Höhe dringend notwendig.
(Zustiftungen und Spenden an die Stiftung kann man steuerlich geltend machen.)

Den Wacholderhof kennenlernen
Wollen Sie den Wacholderhof kennenlernen? Sie dürfen ihn gerne besichtigen und mit den Mitarbeitenden diskutieren.
Hier können Sie sich informieren und einen Termin vereinbaren:

Ansprechpartner für den Wacholderhof-Verein:
David Burkhardt, Wacholderhof e.V., Wacholderhof 17, 71540 Murrhardt-Steinberg, Tel.: 07192/7710, Mail: info@wacholderhof-ev.de, www.wacholderhof-ev.de

Ansprechpartner für die Gärtnerhof-Stiftung:
Berthold Burkhardt, Kuratoriumsmitglied, Gärtnerhof-Stiftung, Stiftung zur Förderung von Gärtnerhöfen, Wacholderhof 10, 71540 Murrhardt, Tel.: 07192/900171  
oder Heidegret Mayer, Vorsitzende des Kuratoriums Gärtnerhof-Stiftung, Kirchgasse 7, 74582 Gerabronn, Tel.: 07952/6244
oder Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt, Kuratoriumsmitglied, Aubäcker 10, 74595 Langenburg, Tel. 07905/5430, b.bross@arcast.de




1 Das Haupthaus des Wacholderhofes mit Gemeinschaftsräumen und Gästezimmern strahlt außen und innen Behaglichkeit aus.


6 David Burkhardt, Biolandbauer und Geschäftsführer des Wacholderhof-Vereins.

Montag, 23. November 2015

Ackerflächen in Baden-Württemberg in Gefahr

Äcker sind Grundlage für unsere Ernährung, sie sind unsere Lebensgrundlage. Doch dies ist vielen Menschen und Entscheidungsträgern in den Kommunen nicht bewusst. Städte und Gemeinden weisen neue Gewerbe- und Verkehrsflächen meistens auf Äckern aus. Ohne darüber nachzudenken wird bestes Ackerland geopfert.

So werden täglich mehrere Fußballfelder allein in Baden-Württemberg überbaut; täglich sind es 5,3 Hektar Fläche. Der Bau der Messe Stuttgart auf besten Filderböden ist dafür das bekannteste Beispiel. Doch der Flächenverbrauch geht an vielen Orten weiter. Engagierte Bürger formieren sich zunehmend gegen den Verlust fruchtbaren Ackerlandes. Beispielsweise die Schutzgemeinschaft Schmidener Feld in Kernen, die ein Gewerbegebiet auf sehr guten Böden auf der Gemarkung Rommelshausen verhindern möchte.

Der Flächenverbrauch ist zwar gesunken – im Jahr 2000 wurden täglich noch 12 Hektar zugebaut. Die Siedlungs- und Verkehrsfläche nimmt bereits 14 Prozent der Landesfläche ein, das entspricht in etwa der Fläche der Region Nordschwarzwald. Ziel der jetzigen Landesregierung ist es, den Flächenverbrauch auf 3 Hektar pro Tag zu senken (für das Bundesgebiet ist die Zielvorgabe 30 Hektar). Naturschützer sehen das anders. Sie wollen, dass gar keine Fläche mehr zugebaut wird.

Quelle: Boden, Böden, Bodenschutz. Hrsg. Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, www.um.baden-wuerttemberg.de




Samstag, 25. Juli 2015

Projekt Hofgrün an der UdK

Urban Gardening an der Universität der Künste


Von Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt

Nun sind auch noch die Mode- und Produktdesigner unter die Gärtner gegangen und bauen im Hof des 3D-Hauses an der Straße des 17. Juni 118  Gemüse und Kräuter an. In den Containern wachsen Salate, Tomaten, Paprika und Kohlgewächse. Umrahmt von Containern mit der Färbepflanze Indigo. Zum Tag der Offenen Tür am 18. und 19. Juli 2015 hatten die Designstudenten Objekte unter dem Motto Fluss oder Regen dazwischen gesetzt. So konnte es hier schon mal regnen.

An dem Hofgartenprojekt sind Bachelorstudenten des 2. Semesters aktiv. Es ist ein Pflichtmodul im Studium. Eine feste Gruppe von Studenten kümmert sich jeweils sechs Wochen lang um das Gemüse in den Kisten. Die Studenten lernen die Grundtechniken säen, pikieren, topfen, wässern usw.. Anleitung bekommen sie von Mitarbeitern des Büros für Landschaftsarchitektur hochC. Die im Hof kultivierten Färbepflanzen Indigo und Färberkamille werden übrigens zu Färbeversuchen in der Siebdruck-Werkstatt verwendet.

Urban Gardening im Hof des Gebäudes Straße des 17. Juni 118 in Berlin.  Neben all dem Experimentellen nimmt sich das Gartenhäuschen von der Stange richtig spießig aus. Zukünftige Studentenklassen des Studiengangs Produktdesign hätten da ein weites Betätigungsfeld. Fotos: Brunhilde Bross-Burkhardt

Gärtnern in Containern: Auf versiegeltem Grund geht's nur so. Dem Innenhof tut's gut.

Montag, 8. Juni 2015

Bundesgartenschau 2015 Havelregion


Ein paar Eindrücke von einer Kurzreise in die Hansestadt Havelberg.

Diese Bundesgartenschau hat ein völlig anderes Konzept als bisherige Schauen. Es geht dabei hauptsächlich um die Flusslandschaft der Havel auf 80 Kilometer Länge, bevor die Havel in die Elbe mündet. "Für eine lebendige Havel!", so wirbt der Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) für die Veranstaltung und für die eigene, längerfristig angelegte Arbeit. Der NABU will 89 Hektar Au- und Uferwald neu entstehen lassen. 71 Uferdeckwerke sollen beseitigt werden. 15 Altarme sollen wieder angeschlossen werden. (Einer davon liegt im Gartenschaugelände in Havelberg.)

An fünf Orten ist die Bundesgartenschau angesiedelt: in Brandenburg, Premnitz, Rathenow, Amt Rhinow/Stölln und in der Hansestadt Havelberg (Reihenfolge flussabwärts). Alle diese Orte liegen westlich von Berlin Richtung Hamburg. Jeder Ort hat seinen Schwerpunkt. In der Hansestadt Havelberg, gleichzeitig einer uralten Domstadt, wurde das Haus der Flüsse errichtet. Ein Altarm der Havel konnte hier im Gartenschaugelände renaturiert werden. (s. Bild oben).


Natürlich gibt es auch gartenschauspezifische Ausstellungsbeiträge, sonst kommen keine Besucher. In Havelberg ist es zum Beispiel eine Pfingstrosenpflanzung mit ein paar seltenen Sorten. Verbindendes Element aller Zierpflanzenbeete ist Allium 'Globemaster", dessen kugelige Blütenstände über den Stauden zu schweben scheinen. Nett gemacht ist auch der Naturgarten des NABU mit der unvermeidlichen Kräuterspirale und witziger Beschilderung. Eine gute Idee ist der Bodenbelag aus zusammengewürfelten Pflastersteinen.


Weitere Infos: www.buga-2015-havelregion.de und www.NABU.de/buga2015


Dienstag, 7. April 2015

Ländliche Gärten jenseits Landleben-Romantik


Ländliche Gartenkultur im Wandel


Von Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt

Erkundungsgang durch einige Weiler meiner hohenlohischen Heimat mit stattlichen zweistöckigen Häusern und großen Stall- und Scheunengebäuden, die häufig komplett mit Solarpaneelen eingedeckt sind.

Die Nutzgärten an den Bauernhäusern liegen häufig ein wenig entfernt vom Wohnhaus in gut besonnter Lage. Die Grundform ist meist rechteckig, gegliedert durch einen Mittelweg oder ein Wegekreuz, Ein niedriges Mäuerchen fasst den Garten ein und trägt den Zaun oder dessen Relikte.  

Ich stelle fest, dass es in einigen Weilern, in denen ich vor zwei, drei Jahrzehnten Häuser und Gärten fotografisch dokumentiert habe, kaum noch bewirtschaftete Nutzgärten gibt. Viele Gärten liegen brach. Brennnesseln und Brombeeren überwuchern die Gartenfläche. Allenfalls ein paar Beerensträucher zeugen noch von der früheren Gartennutzung. Die Zäune entfernt oder in sich zusammengebrochen, der verrostete Maschendraht lückig und eingedrückt. Ausdruck der Lebenssituation in den teils leerstehenden Bauernhäusern. So ganz anders, als es Landleben-Magazine präsentieren und propagieren.



Dieser Garten ist als einer der wenigen noch in etwa so wie vor 20 Jahren, und wird intensiv als verzierter Nutzgarten bewirtschaftet.

Donnerstag, 2. April 2015

Anti-Gärten im Friedhofslook



Gedanken zur heutigen Garten-Un-Kultur von Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt
 

Beim Betreten der Straße vor meinem Haus sehe ich einen Vorgarten, dicht bepflanzt mit Zwerggehölzen, mit Mini-Wacholder, Mini-Thuja und anderen Immergrünen aus dem Angebot der Gartencenter. Das Erdreich dazwischen mit Rindenmulch abgedeckt. Genauso könnte eine Grabfläche aussehen.

Mir tut eine solche missglückte Pflanzung in der Seele weh. So viele verschenkte Möglichkeiten, das anvertraute Land zu einem Garten, der diesen Namen verdient, zu machen. Mit Stauden und Blütensträuchern, mit hohen Laubgehölzen und Wiesenflächen könnte er einen abwechslungsreichen Anblick bieten und dazu noch Lebensraum und Nahrungsquelle für Tiere bieten. Oder Gemüse und Obst könnten darin wachsen. Er könnte zumindest schön gestaltet sein. Doch die hunderte Quadratmeter große Gartenfläche besteht nur aus kurz geschorenem Rasen und ein paar höheren Koniferen und vielen Zwerg-Immergrünen.

Unkenntnis und Ordnungssinn
Wie konnte es nur zu solch einem Niedergang der Gartenkultur kommen? Das Unvermögen, Gärten zu bepflanzen und zu hegen betrifft ja nicht nur diesen, sondern auch viele andere Gärten. Ich sehe es als ein Zusammenspiel von Unkenntnis und übertriebenem Ordnungssinn an, gepaart mit der Notwendigkeit, die Pflegearbeiten zu vereinfachen. Dazu fehlt das ästhetische Empfinden, das Gefühl für Proportionen.

Aus  meiner jahrzehntelangen Kurstätigkeit weiß ich, dass die Leute sich oft nicht mit der Vegetation auseinandersetzen, selbst wenn sie schon ihr ganzes Leben lang einen Garten bewirtschaften. Sie wissen nicht, welche Pflanzen sie vor sich haben. Sie kennen die Namen der Gewächse nicht, geschweige denn, welche Ansprüche diese haben. Sie sehen nur Essbares, Zierendes oder Unkräuter. Vielleicht lassen sie noch Rosen gelten. Schon Hermann Hesse machte im „Steppenwolf“ diese Beobachtung:

„Man stelle sich einen Garten vor, mit hunderterlei Bäumen, mit tausenderlei Blumen, hunderterlei Obst, hunderterlei Kräutern. Wenn nun der Gärtner dieses Gartens keine andre botanische Unterscheidung kennt als „essbar“ und „Unkraut“, dann wird er mit neun Zehnteln seines Gartens nichts anzufangen wissen, er wird die zauberhaftesten Blumen ausreißen, die edelsten Bäume abhauen oder wird sie doch hassen und scheel ansehen. ...“ (zitiert aus Suhrkamp Taschenbuch 175, Auflage 1974, S. 73)

Dem ist aus heutiger Sicht nichts hinzuzufügen.

Freitag, 19. Dezember 2014

Urban Gardening in der Schweiz (und in Deutschland)


Selbstversorgung mit Gemüse und Obst im städtischen Umfeld – aus pflanzenbaulicher Perspektive 

Von Dr. rer. agr. Brunhilde Bross-Burkhardt

(Dieser von der Schweizer Zeitschrift "Natürlich" bestellte Artikel wurde nicht veröffentlicht. Deshalb veröffentliche ich den Originalartikel hier in meinem Blog.)

Möhren und Erdbeeren frisch aus dem Garten – weitgehende Selbstversorgung mit Gemüse und Obst streben viele Menschen auf dem Land und in der Stadt an. Auf einem Grundstück am Haus ist dies leicht zu verwirklichen. Städter müssen sich etwas einfallen lassen. Sie wirtschaften in Familiengärten und neuerdings auch in Urban-Gardening-Projekten. Die Szene ist bunt und vielfältig. Eine Agrarwissenschaftlerin betrachtet einige Initiativen aus pflanzenbaulicher Perspektive.

Die Prinzessinnengärten in Berlin sind bekannt für ihren Containeranbau in ausgedienten Brotkisten und Reissäcken mit Bewässerung. Der Gemeinschaftsgarten heißt so, weil das Grundstück an der Prinzessinnenstraße liegt. Foto: B. Bross-Burkhardt   

Was ist Urban Gardening?
Genau genommen sind alle Anbauformen in einem städtischen Umfeld urbanes Gärtnern, also auch traditionelle Familiengärten (Kleingärten, Schrebergärten), Balkongärten oder Dachgärten. Doch der englische Begriff „Urban Gardening“, der in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen ist, hat durch die vielen Veröffentlichungen in den Medien einen anderen Anklang und bezieht sich vor allem auf neue Modelle des Gärtnerns, vor allem des Nutzpflanzenanbaus, in der Stadt. Diese heben sich vom individuellen, manchmal als spießig empfundenen Gärtnern im Familiengarten beziehungsweise Kleingarten ab – vom Guerilla-Gardening mit dem Werfen von Samenbomben über Gemeinschaftsgärten bis hin zu kommerziellen Urban-Agriculture-Projekten wie Aquaponic und Indoor-Farming.

Modell 1: Selbsterntegärten / Mietgärten
Einen einfachen Einstieg in den eigenen Gemüseanbau ermöglichen Selbsterntegärten, die manche Anbieter auch als Mietgärten oder Saisongärten bezeichnen. Es handelt sich dabei um Ackerparzellen, die Landwirte und Gärtner, manchmal auch Kommunen, Nutzern für eine Saison vermieten. In Deutschland ist die Nachfrage nach solchen Gärten groß. Mietgärten sind die ideale und günstige Lösung für alle, die erst einmal Erfahrungen mit dem Gemüseanbau sammeln und sich nicht längerfristig wie in einem Kleingarten festlegen wollen. Die Mietgärten liegen meist in Randbezirken von Städten im Übergang zum Land.

Es ist eine Kombination aus Profianbau und individuellem Anbau. Die Profis bearbeiten den Boden maschinell und bestellen das Land in Reihen mit einer Auswahl gängiger oder auch seltener Gemüsearten und –sorten. Anschließend teilen sie es quer zum Reihenverlauf in Parzellen von etwa 20 bis 60 Quadratmeter Größe auf. Die Parzelle kann auch Teil eines Rundbeets oder eines Kartoffeldammstreifens sein. Die Nutzer mieten die Parzelle vom Frühjahr bis zum Spätherbst. Sie übernehmen die laufenden Arbeiten; hacken, gießen und ernten das Gemüse, säen und pflanzen eventuell Nachkulturen. Die Betreiber stellen die Infrastruktur zur Bewirtschaftung, also Geräte, Wasser, Kompost usw., zur Verfügung. Interessenten finden im Internet Standorte in der Nähe ihrer Wohnung  und können gleich eine Parzelle buchen – bei den „Ackerhelden“ (www.ackerhelden.de), bei „Bauerngarten“ in Berlin (www.bauerngarten.net) oder „Krautgärten“ in München (http://urbane-gaerten-muenchen.de) und etlichen anderen Anbietern.

Modell 2: Regionale Vertragslandwirtschaft
Dies ist ein ähnliches Stadt-Land-Modell, bei dem LandwirtInnen und KonsumentInnen zusammenarbeiten. Landwirte und Gleichgesinnte, die die regionale Lebensmittelversorgung fördern wollen, schließen sich zu Genossenschaften zusammen. Sie pachten Land am Rand von Städten und stellen ausgebildete Landwirte oder Gärtner ein, die sich um einen arten- und sortenreichen Anbau von Gemüse kümmern. Am Anfang des Jahres verkauft die Genossenschaft Abos oder Anteilscheine für Gemüselieferungen während der Saison und sichert so den Absatz. Die Abonnenten oder Genossenschafter sind sichere Abnehmer für die Ernte, sie tragen das Risiko bei Fehlernten mit. Mit dem Gemüseabo verpflichten sie sich zur Mithilfe auf dem Acker. Eine dieser Initiativen ist die Anbaugemeinschaft für eigenes Gemüse an Zürichs Stadtrand (www.dunkelhoelzli.ch), die etwa 30 Ar Ackerflächen und etwas Obst- und Beerenland bewirtschaftet. Folienhäuser für etwa 30 Tomatensorten gibt es auch. Oder die regionale Gartenkooperative Ortoloco in Dietikon (www.ortoloco.ch), die einen 1,4 Hektar großen Acker bewirtschaftet.

Modell 3: Gemeinschaftsgärten, Nachbarschaftsgärten
Viel Aufsehen erregen Initiativen, die brach liegende Freiflächen im Stadtbereich in Gemeinschaftsgärten umwandeln. Eine europäische Hochburg solcher Projekte, die sich aufs Allmende-Prinzip berufen, ist Berlin. Die besondere Situation dieser Stadt macht es möglich: Anders als in anderen dicht bebauten Großstädten, wie zum Beispiel Zürich oder Stuttgart, gibt es hier sehr viele Brachflächen, die kreative Ideen für eine sinnvolle Nutzung geradezu herausfordern. Ein bekanntes Berliner Projekt ist der Garten Rosa Rose (www.rosarose-garten.net), bei dem tatsächlich die Flächen gemeinsam gepflegt werden. So wird es auch in  Basel im Permakulturgarten Landhof (www.permakultur.ch/index.php/projekte/landhofbaselgarten) gehandhabt. Teilweise funktioniert das offenbar ganz gut, bei anderen weniger, weil eben nicht alle Beteiligten gleich viel zur Pflege des Gartens beitragen. Einige Projekte kombinieren Gemeinschaftsteile und individuell bewirtschaftete Beete, zum Beispiel der Nachbarschaftsgarten TonSteineGärten in Berlin (http://gaerten-am-mariannenplatz.blogspot.de/).

Modell 4: Mobile Gärten, Quartiergärten als Zwischennutzung
Viele Urban-Gardening-Projekte machen durch Kisten und Behältnisse aller Art auf sich aufmerksam. – Spektakulär in Szene gesetzt im Berliner Prinzessinnengärten mit ausrangierten Brotkisten aus Kunststoff, alten Reissäcken oder aufgeschlitzten Tetrapackbehältern (http://prinzessinnengarten.net/). Warum nicht? In diesem anbautechnisch ausgeklügelten Vorzeigeprojekt wächst tatsächlich viel Gemüse heran, das im Freiluftrestaurant zu schmackhaften Gerichten zubereitet wird. Überschüssiges wird verkauft. Auf dem Tempelhofer Feld, am Rand des stillgelegten Flughafens Tempelhof mitten in Berlin, sieht es mit windschief gezimmerten Holzkonstruktionen aus wie Villa Kunterbunt. Mais, Schmuckkörbchen und Sonnenblumen ragen neben allerlei Sitzmöbeln in den weiten Himmel (http://www.tempelhoferfreiheit.de/).

Demgegenüber hat der mobile Gemeinschaftsgarten im Zürcher Stadiongarten (www.stadiongarten.ch) mit schmucken Holzcontainern eine überschaubare Dimension. Die Fläche steht vor dem Bau des neuen Stadions für die Zwischennutzung zur Verfügung. Ebenfalls um Zwischennutzung vor einer Überbauung geht es bei dem Projekt Tramdepot Burgernziel in Bern. Der Verein Stadtbuure in Winterthur greift die Urban-Gardening-Idee mit der charmanten Einkaufswägeli-Aktion und Palettengärten auf (www.winterthur-nachhaltig.ch).

Viele Kommunen initiieren mittlerweile selbst die Projekte und stellen Personal und Geld dafür bereit, weil sie die vielen positiven Effekte von Urban Gardening fürs soziale Miteinander sehen und ebenso die Biodiversität fördern wollen.

Modell 5: Urban Gardening gegen Entvölkerung
In manchen Fällen ist nicht Mangel an Land Anlass für ein Urban-Gardening-Projekt, sondern ein Überfluss davon. Mitten in Deutschland, in der sich entvölkernden Stadt Dessau-Rosslau geht es darum, das Brachfallen von Gelände zu verhindern. Hier ist die Situation ähnlich wie in Detroit, wo durch den enormen Bevölkerungsrückgang von 2 Millionen auf unter 700 000 Einwohner weite Teile der Stadt brach fielen. Um dem Bevölkerungsverlust in der eigenen Stadt entgegen zu wirken, überlässt Dessau 20 x 20-m-Parzellen deshalb kostenlos an "Paten" zur Bewirtschaftung. 

Modell 6: Essbare Stadt, Bürgergärten
Ernten, was andere anbauen, ohne etwas dafür tun zu müssen – das mutet wie im Schlaraffenland an. Andernach an der Mosel hat dieses Prinzip der „Essbaren Stadt“ publik gemacht (www.andernach.de). Andere Städte eifern dem nach. Anstelle von Rosen und Sommerblumen stehen hier Stangenbohnen, Zwiebeln, Mangold und Kürbis auf städtischem Grund. Weinreben und Spaliergehölze, Feigen und Mandeln ebenso. Von diesem Modell profitieren Stadt und Bürger: Die Stadt, weil sie für Anlage und Pflege der Gemüsebeete weniger ausgeben muss als für Zierpflanzenbeete und ganz nebenbei sehr viel fürs Stadtimage tut. Und die Bürger, weil sie sich kostenlos bedienen können.

Modell 7: Urban Agriculture
In dicht besiedelten asiatischen Megacities hat sich Urban Agriculture zur Versorgung der Stadtbevölkerung mit Nahrungsmitteln etabliert. In Mitteleuropa gibt es erst vereinzelt Projekte wie das Aquaponic-Farm-System. Es handelt sich dabei um eine Kombination aus Aquakultur von Fischen (meist sind es Tilapia-Barsche) und in Hydrokultur angebautem Gemüse wie Tomaten und Salate. Die Idee ist, die in der Farm erzeugten Fische und das Gemüse ohne Zwischenhandel und Transportwege direkt an das städtische Kaufpublikum zu vertreiben. In dem nahezu geschlossenen System wird das mit Nährstoffen aus den Fischexkrementen angereicherte und aufbereitete Wasser aus der Aquakultur zur Düngung der Gemüse ins Hydrokultursystem gepumpt. Das im Gewächshaus verdunstete Wasser wird über Kältefallen zurückgewonnen und wieder der Aquakultur zugeführt. Die erste derartige kommerzielle Anlage Europas steht im Basler Dreispitzareal auf dem Dach des ehemaligen Lokdepots.

Wie Aquaponic funktioniert, zeigt die UrbanFarmersBox. Der ausrangierte Schiffscontainer mit Gewächshausaufbau steht in Winterthur (http://winterthur-nachhaltig.ch/stadtbuure/). Das Pendant in Berlin heißt Containerfarm oder schlicht Rostlaube (http://www.ecf-farmsystems.com/).))


„Urban Gardening“ – darauf kommt's an
Die Besitz- und Organisationsstruktur der Urban-Gardening-Projekte ist das eine. Der tatsächliche Anbau und die möglichst gute Ernte von Nutzpflanzen das wesentliche andere. Was verspricht mehr Erfolg: Das Gärtnern in gewachsener Erde oder im Container? Gewachsene Erde ist immer besser und bringt sicheren Ertrag, wenn man sich an die gartenbaulichen Regeln hält (und die Schnecken nicht alles abraspeln). Also sonnigen Platz wählen, Boden gut vorbereiten, Gemüse und Kräuter in weitem Abstand säen oder pflanzen und darauf achten, dass die Konkurrenz durch Wildkräuter nicht zu groß wird. Auftretende Probleme mit Schädlings- und Krankheitsbefall, Wasser- und Nährstoffversorgung darf man nicht unterschätzen.

Noch mehr Aufmerksamkeit und Fingerspitzengefühl verlangt der Anbau in Kisten oder in Hochbeeten. Hier kommt es besonders auf die gleichmäßige Wasserversorgung eventuell mit Hilfe einer automatischen Bewässerung an, denn die Gemüsepflanzen oder die Obstgehölze haben nur einen begrenzten Wurzelraum. Anders als in gewachsener Erde können die Kulturpflanzen mit ihren Wurzeln nicht in tiefere Bodenschichten vordringen und sich aus dem Bodenvorrat mit Wasser und Nährstoffen versorgen. Bei Dauerkulturen besteht zudem die Gefahr, dass die Pflanzen im Winter vertrocknen oder ausfrieren.

Ökologisch und nachhaltig ist der Anbau in Gefäßen nur, wenn man sorgsam und sparsam mit Materialien umgeht und Erde (Substrate) ohne Torf verwendet. Die Kosten sollten in einem vernünftigen Verhältnis zum Ertrag stehen. Etwas Widerständigkeit gegen modisches (und teures) Urban-Gardening-Zubehör aus dem Handel gehört auch dazu. 

Und dann legen Sie los mit Mangold, Kartoffeln oder Topinambur in der Kiste oder Tomaten im Eimer – nur nicht am Straßenrand, sondern in sicherer Entfernung von Abgasen, Feinstaub und Reifenabrieb.
Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt