Äcker sind Grundlage für unsere Ernährung, sie sind unsere Lebensgrundlage. Doch dies ist vielen Menschen und Entscheidungsträgern in den Kommunen nicht bewusst. Städte und Gemeinden weisen neue Gewerbe- und Verkehrsflächen meistens auf Äckern aus. Ohne darüber nachzudenken wird bestes Ackerland geopfert.
So werden täglich mehrere Fußballfelder allein in Baden-Württemberg überbaut; täglich sind es 5,3 Hektar Fläche. Der Bau der Messe Stuttgart auf besten Filderböden ist dafür das bekannteste Beispiel. Doch der Flächenverbrauch geht an vielen Orten weiter. Engagierte Bürger formieren sich zunehmend gegen den Verlust fruchtbaren Ackerlandes. Beispielsweise die Schutzgemeinschaft Schmidener Feld in Kernen, die ein Gewerbegebiet auf sehr guten Böden auf der Gemarkung Rommelshausen verhindern möchte.
Der Flächenverbrauch ist zwar gesunken – im Jahr 2000 wurden täglich noch 12 Hektar zugebaut. Die Siedlungs- und Verkehrsfläche nimmt bereits 14 Prozent der Landesfläche ein, das entspricht in etwa der Fläche der Region Nordschwarzwald. Ziel der jetzigen Landesregierung ist es, den Flächenverbrauch auf 3 Hektar pro Tag zu senken (für das Bundesgebiet ist die Zielvorgabe 30 Hektar). Naturschützer sehen das anders. Sie wollen, dass gar keine Fläche mehr zugebaut wird.
Quelle: Boden, Böden, Bodenschutz. Hrsg. Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, www.um.baden-wuerttemberg.de
Montag, 23. November 2015
Samstag, 25. Juli 2015
Projekt Hofgrün an der UdK
Urban Gardening an der Universität der Künste
Von Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt
Nun sind auch noch die Mode- und Produktdesigner unter die Gärtner gegangen und bauen im Hof des 3D-Hauses an der Straße des 17. Juni 118 Gemüse und Kräuter an. In den Containern wachsen Salate, Tomaten, Paprika und Kohlgewächse. Umrahmt von Containern mit der Färbepflanze Indigo. Zum Tag der Offenen Tür am 18. und 19. Juli 2015 hatten die Designstudenten Objekte unter dem Motto Fluss oder Regen dazwischen gesetzt. So konnte es hier schon mal regnen.
An dem Hofgartenprojekt sind Bachelorstudenten des 2. Semesters aktiv. Es ist ein Pflichtmodul im Studium. Eine feste Gruppe von Studenten kümmert sich jeweils sechs Wochen lang um das Gemüse in den Kisten. Die Studenten lernen die Grundtechniken säen, pikieren, topfen, wässern usw.. Anleitung bekommen sie von Mitarbeitern des Büros für Landschaftsarchitektur hochC. Die im Hof kultivierten Färbepflanzen Indigo und Färberkamille werden übrigens zu Färbeversuchen in der Siebdruck-Werkstatt verwendet.
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Gärtnern in Containern: Auf versiegeltem Grund geht's nur so. Dem Innenhof tut's gut. |
Montag, 8. Juni 2015
Bundesgartenschau 2015 Havelregion
Ein paar Eindrücke von einer Kurzreise in die Hansestadt Havelberg.
Diese Bundesgartenschau hat ein völlig anderes Konzept als bisherige Schauen. Es geht dabei hauptsächlich um die Flusslandschaft der Havel auf 80 Kilometer Länge, bevor die Havel in die Elbe mündet. "Für eine lebendige Havel!", so wirbt der Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) für die Veranstaltung und für die eigene, längerfristig angelegte Arbeit. Der NABU will 89 Hektar Au- und Uferwald neu entstehen lassen. 71 Uferdeckwerke sollen beseitigt werden. 15 Altarme sollen wieder angeschlossen werden. (Einer davon liegt im Gartenschaugelände in Havelberg.)
An fünf Orten ist die Bundesgartenschau angesiedelt: in Brandenburg, Premnitz, Rathenow, Amt Rhinow/Stölln und in der Hansestadt Havelberg (Reihenfolge flussabwärts). Alle diese Orte liegen westlich von Berlin Richtung Hamburg. Jeder Ort hat seinen Schwerpunkt. In der Hansestadt Havelberg, gleichzeitig einer uralten Domstadt, wurde das Haus der Flüsse errichtet. Ein Altarm der Havel konnte hier im Gartenschaugelände renaturiert werden. (s. Bild oben).
Natürlich gibt es auch gartenschauspezifische Ausstellungsbeiträge, sonst kommen keine Besucher. In Havelberg ist es zum Beispiel eine Pfingstrosenpflanzung mit ein paar seltenen Sorten. Verbindendes Element aller Zierpflanzenbeete ist Allium 'Globemaster", dessen kugelige Blütenstände über den Stauden zu schweben scheinen. Nett gemacht ist auch der Naturgarten des NABU mit der unvermeidlichen Kräuterspirale und witziger Beschilderung. Eine gute Idee ist der Bodenbelag aus zusammengewürfelten Pflastersteinen.
Weitere Infos: www.buga-2015-havelregion.de und www.NABU.de/buga2015
Dienstag, 7. April 2015
Ländliche Gärten jenseits Landleben-Romantik
Ländliche Gartenkultur im Wandel
Von Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt
Erkundungsgang durch einige Weiler meiner hohenlohischen Heimat mit stattlichen zweistöckigen Häusern und großen Stall- und Scheunengebäuden, die häufig komplett mit Solarpaneelen eingedeckt sind.
Die Nutzgärten an den Bauernhäusern liegen häufig ein wenig entfernt vom Wohnhaus in gut besonnter Lage. Die Grundform ist meist rechteckig, gegliedert durch einen Mittelweg oder ein Wegekreuz, Ein niedriges Mäuerchen fasst den Garten ein und trägt den Zaun oder dessen Relikte.
Ich stelle fest, dass es in einigen Weilern, in denen ich vor zwei, drei Jahrzehnten Häuser und Gärten fotografisch dokumentiert habe, kaum noch bewirtschaftete Nutzgärten gibt. Viele Gärten liegen brach. Brennnesseln und Brombeeren überwuchern die Gartenfläche. Allenfalls ein paar Beerensträucher zeugen noch von der früheren Gartennutzung. Die Zäune entfernt oder in sich zusammengebrochen, der verrostete Maschendraht lückig und eingedrückt. Ausdruck der Lebenssituation in den teils leerstehenden Bauernhäusern. So ganz anders, als es Landleben-Magazine präsentieren und propagieren.
Dieser Garten ist als einer der wenigen noch in etwa so wie vor 20 Jahren, und wird intensiv als verzierter Nutzgarten bewirtschaftet.
Donnerstag, 2. April 2015
Anti-Gärten im Friedhofslook
Gedanken zur heutigen Garten-Un-Kultur von Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt
Beim Betreten der Straße vor meinem Haus sehe ich einen
Vorgarten, dicht bepflanzt mit Zwerggehölzen, mit Mini-Wacholder, Mini-Thuja und anderen Immergrünen aus dem Angebot der Gartencenter. Das Erdreich dazwischen mit Rindenmulch abgedeckt. Genauso könnte eine Grabfläche aussehen.
Mir tut eine solche missglückte Pflanzung in der Seele weh.
So viele verschenkte Möglichkeiten, das anvertraute Land zu einem Garten, der
diesen Namen verdient, zu machen. Mit Stauden und Blütensträuchern, mit hohen Laubgehölzen und Wiesenflächen
könnte er einen abwechslungsreichen Anblick bieten und dazu noch Lebensraum und Nahrungsquelle für Tiere bieten. Oder Gemüse und Obst könnten darin
wachsen. Er könnte zumindest schön gestaltet sein. Doch die hunderte
Quadratmeter große Gartenfläche besteht nur aus kurz geschorenem Rasen und ein
paar höheren Koniferen und vielen Zwerg-Immergrünen.
Unkenntnis und
Ordnungssinn
Wie konnte es nur zu solch einem Niedergang der Gartenkultur
kommen? Das Unvermögen, Gärten zu bepflanzen und zu hegen betrifft ja nicht nur diesen, sondern auch viele andere Gärten. Ich
sehe es als ein Zusammenspiel von Unkenntnis und übertriebenem Ordnungssinn an,
gepaart mit der Notwendigkeit, die Pflegearbeiten zu vereinfachen. Dazu fehlt
das ästhetische Empfinden, das Gefühl für Proportionen.
Aus meiner
jahrzehntelangen Kurstätigkeit weiß ich, dass die Leute sich oft nicht mit der
Vegetation auseinandersetzen, selbst wenn sie schon ihr ganzes Leben lang einen Garten bewirtschaften. Sie wissen nicht, welche Pflanzen sie vor sich haben. Sie kennen die Namen der Gewächse nicht, geschweige denn, welche Ansprüche diese haben. Sie sehen nur Essbares, Zierendes oder Unkräuter. Vielleicht lassen sie noch Rosen gelten. Schon Hermann Hesse machte im „Steppenwolf“ diese Beobachtung:
„Man stelle sich einen
Garten vor, mit hunderterlei Bäumen, mit tausenderlei Blumen, hunderterlei
Obst, hunderterlei Kräutern. Wenn nun der Gärtner dieses Gartens keine andre
botanische Unterscheidung kennt als „essbar“ und „Unkraut“, dann wird er mit neun
Zehnteln seines Gartens nichts anzufangen wissen, er wird die zauberhaftesten
Blumen ausreißen, die edelsten Bäume abhauen oder wird sie doch hassen und
scheel ansehen. ...“ (zitiert aus Suhrkamp Taschenbuch 175, Auflage 1974, S.
73)
Dem ist aus heutiger Sicht nichts hinzuzufügen.
Freitag, 19. Dezember 2014
Urban Gardening in der Schweiz (und in Deutschland)
Selbstversorgung mit Gemüse und Obst im städtischen Umfeld – aus pflanzenbaulicher Perspektive
Von Dr. rer. agr. Brunhilde Bross-Burkhardt
(Dieser von der Schweizer Zeitschrift "Natürlich" bestellte Artikel wurde nicht veröffentlicht. Deshalb veröffentliche ich den Originalartikel hier in meinem Blog.)
Möhren und Erdbeeren
frisch aus dem Garten – weitgehende Selbstversorgung mit Gemüse und Obst
streben viele Menschen auf dem Land und in der Stadt an. Auf einem Grundstück
am Haus ist dies leicht zu verwirklichen. Städter müssen sich etwas einfallen
lassen. Sie wirtschaften in Familiengärten und neuerdings auch in
Urban-Gardening-Projekten. Die Szene ist bunt und vielfältig. Eine
Agrarwissenschaftlerin betrachtet einige Initiativen aus pflanzenbaulicher Perspektive.
Die Prinzessinnengärten in Berlin
sind bekannt für ihren Containeranbau in ausgedienten Brotkisten und Reissäcken mit
Bewässerung. Der Gemeinschaftsgarten heißt so, weil das Grundstück an der
Prinzessinnenstraße liegt. Foto: B. Bross-Burkhardt
Was ist Urban Gardening?
Genau genommen sind
alle Anbauformen in einem städtischen Umfeld urbanes Gärtnern, also auch
traditionelle Familiengärten (Kleingärten, Schrebergärten), Balkongärten oder
Dachgärten. Doch der englische Begriff „Urban Gardening“, der in den deutschen
Sprachgebrauch eingegangen ist, hat durch die vielen Veröffentlichungen in den
Medien einen anderen Anklang und bezieht sich vor allem auf neue Modelle des
Gärtnerns, vor allem des Nutzpflanzenanbaus, in der Stadt. Diese heben sich vom
individuellen, manchmal als spießig empfundenen Gärtnern im Familiengarten beziehungsweise Kleingarten ab – vom Guerilla-Gardening mit dem Werfen von Samenbomben über
Gemeinschaftsgärten bis hin zu kommerziellen Urban-Agriculture-Projekten wie
Aquaponic und Indoor-Farming.
Modell 1: Selbsterntegärten / Mietgärten
Einen einfachen
Einstieg in den eigenen Gemüseanbau ermöglichen Selbsterntegärten, die manche
Anbieter auch als Mietgärten oder Saisongärten bezeichnen. Es handelt sich
dabei um Ackerparzellen, die Landwirte und Gärtner, manchmal auch Kommunen,
Nutzern für eine Saison vermieten. In Deutschland ist die Nachfrage nach
solchen Gärten groß. Mietgärten sind die ideale und günstige Lösung für alle,
die erst einmal Erfahrungen mit dem Gemüseanbau sammeln und sich nicht
längerfristig wie in einem Kleingarten festlegen wollen. Die Mietgärten liegen
meist in Randbezirken von Städten im Übergang zum Land.
Es ist eine Kombination
aus Profianbau und individuellem Anbau. Die Profis bearbeiten den Boden
maschinell und bestellen das Land in Reihen mit einer Auswahl gängiger oder
auch seltener Gemüsearten und –sorten. Anschließend teilen sie es quer zum
Reihenverlauf in Parzellen von etwa 20 bis 60 Quadratmeter Größe auf. Die
Parzelle kann auch Teil eines Rundbeets oder eines Kartoffeldammstreifens sein.
Die Nutzer mieten die Parzelle vom Frühjahr bis zum Spätherbst. Sie übernehmen
die laufenden Arbeiten; hacken, gießen und ernten das Gemüse, säen und pflanzen
eventuell Nachkulturen. Die Betreiber stellen die Infrastruktur zur
Bewirtschaftung, also Geräte, Wasser, Kompost usw., zur Verfügung.
Interessenten finden im Internet Standorte in der Nähe ihrer Wohnung und können gleich eine Parzelle buchen
– bei den „Ackerhelden“ (www.ackerhelden.de), bei „Bauerngarten“ in Berlin
(www.bauerngarten.net) oder „Krautgärten“ in München (http://urbane-gaerten-muenchen.de)
und etlichen anderen Anbietern.
Modell 2: Regionale Vertragslandwirtschaft
Dies ist ein ähnliches
Stadt-Land-Modell, bei dem LandwirtInnen und KonsumentInnen zusammenarbeiten.
Landwirte und Gleichgesinnte, die die regionale Lebensmittelversorgung fördern
wollen, schließen sich zu Genossenschaften zusammen. Sie pachten Land am Rand
von Städten und stellen ausgebildete Landwirte oder Gärtner ein, die sich um
einen arten- und sortenreichen Anbau von Gemüse kümmern. Am Anfang des Jahres
verkauft die Genossenschaft Abos oder Anteilscheine für Gemüselieferungen
während der Saison und sichert so den Absatz. Die Abonnenten oder
Genossenschafter sind sichere Abnehmer für die Ernte, sie tragen das Risiko bei
Fehlernten mit. Mit dem Gemüseabo verpflichten sie sich zur Mithilfe auf dem
Acker. Eine dieser Initiativen ist die Anbaugemeinschaft für eigenes Gemüse an
Zürichs Stadtrand (www.dunkelhoelzli.ch), die etwa 30 Ar Ackerflächen und etwas
Obst- und Beerenland bewirtschaftet. Folienhäuser für etwa 30 Tomatensorten
gibt es auch. Oder die regionale Gartenkooperative Ortoloco in Dietikon
(www.ortoloco.ch), die einen 1,4 Hektar großen Acker bewirtschaftet.
Modell 3: Gemeinschaftsgärten, Nachbarschaftsgärten
Viel Aufsehen erregen
Initiativen, die brach liegende Freiflächen im Stadtbereich in
Gemeinschaftsgärten umwandeln. Eine europäische Hochburg solcher Projekte, die
sich aufs Allmende-Prinzip berufen, ist Berlin. Die besondere Situation dieser
Stadt macht es möglich: Anders als in anderen dicht bebauten Großstädten, wie
zum Beispiel Zürich oder Stuttgart, gibt es hier sehr viele Brachflächen, die
kreative Ideen für eine sinnvolle Nutzung geradezu herausfordern. Ein bekanntes
Berliner Projekt ist der Garten Rosa Rose (www.rosarose-garten.net), bei dem
tatsächlich die Flächen gemeinsam gepflegt werden. So wird es auch in Basel im Permakulturgarten Landhof (www.permakultur.ch/index.php/projekte/landhofbaselgarten)
gehandhabt. Teilweise funktioniert das offenbar ganz gut, bei anderen weniger,
weil eben nicht alle Beteiligten gleich viel zur Pflege des Gartens beitragen.
Einige Projekte kombinieren Gemeinschaftsteile und individuell bewirtschaftete
Beete, zum Beispiel der Nachbarschaftsgarten TonSteineGärten in Berlin (http://gaerten-am-mariannenplatz.blogspot.de/).
Modell 4: Mobile Gärten, Quartiergärten als Zwischennutzung
Viele
Urban-Gardening-Projekte machen durch Kisten und Behältnisse aller Art auf sich
aufmerksam. – Spektakulär in Szene gesetzt im Berliner Prinzessinnengärten mit
ausrangierten Brotkisten aus Kunststoff, alten Reissäcken oder aufgeschlitzten
Tetrapackbehältern (http://prinzessinnengarten.net/). Warum nicht? In diesem
anbautechnisch ausgeklügelten Vorzeigeprojekt wächst tatsächlich viel Gemüse
heran, das im Freiluftrestaurant zu schmackhaften Gerichten zubereitet wird.
Überschüssiges wird verkauft. Auf dem Tempelhofer Feld, am Rand des
stillgelegten Flughafens Tempelhof mitten in Berlin, sieht es mit windschief
gezimmerten Holzkonstruktionen aus wie Villa Kunterbunt. Mais, Schmuckkörbchen
und Sonnenblumen ragen neben allerlei Sitzmöbeln in den weiten Himmel (http://www.tempelhoferfreiheit.de/).
Demgegenüber hat der
mobile Gemeinschaftsgarten im Zürcher Stadiongarten (www.stadiongarten.ch) mit
schmucken Holzcontainern eine überschaubare Dimension. Die Fläche steht vor dem
Bau des neuen Stadions für die Zwischennutzung zur Verfügung. Ebenfalls um
Zwischennutzung vor einer Überbauung geht es bei dem Projekt Tramdepot
Burgernziel in Bern. Der Verein Stadtbuure in Winterthur greift die
Urban-Gardening-Idee mit der charmanten Einkaufswägeli-Aktion und
Palettengärten auf (www.winterthur-nachhaltig.ch).
Viele Kommunen
initiieren mittlerweile selbst die Projekte und stellen Personal und Geld dafür
bereit, weil sie die vielen positiven Effekte von Urban Gardening fürs soziale
Miteinander sehen und ebenso die Biodiversität fördern wollen.
Modell 5: Urban Gardening gegen Entvölkerung
In manchen Fällen ist
nicht Mangel an Land Anlass für ein Urban-Gardening-Projekt, sondern ein
Überfluss davon. Mitten in Deutschland, in der sich entvölkernden Stadt
Dessau-Rosslau geht es darum, das Brachfallen von Gelände zu verhindern. Hier
ist die Situation ähnlich wie in Detroit, wo durch den enormen Bevölkerungsrückgang
von 2 Millionen auf unter 700 000 Einwohner weite Teile der Stadt brach fielen.
Um dem Bevölkerungsverlust in der eigenen Stadt entgegen zu wirken, überlässt
Dessau 20 x 20-m-Parzellen deshalb kostenlos an "Paten" zur Bewirtschaftung.
Modell 6: Essbare Stadt, Bürgergärten
Ernten, was andere
anbauen, ohne etwas dafür tun zu müssen – das mutet wie im Schlaraffenland an.
Andernach an der Mosel hat dieses Prinzip der „Essbaren Stadt“ publik gemacht
(www.andernach.de). Andere Städte eifern dem nach. Anstelle von Rosen und
Sommerblumen stehen hier Stangenbohnen, Zwiebeln, Mangold und Kürbis auf
städtischem Grund. Weinreben und Spaliergehölze, Feigen und Mandeln ebenso. Von
diesem Modell profitieren Stadt und Bürger: Die Stadt, weil sie für Anlage und
Pflege der Gemüsebeete weniger ausgeben muss als für Zierpflanzenbeete und ganz
nebenbei sehr viel fürs Stadtimage tut. Und die Bürger, weil sie sich kostenlos
bedienen können.
Modell 7: Urban Agriculture
In dicht besiedelten
asiatischen Megacities hat sich Urban Agriculture zur Versorgung der
Stadtbevölkerung mit Nahrungsmitteln etabliert. In Mitteleuropa gibt es erst
vereinzelt Projekte wie das Aquaponic-Farm-System. Es handelt sich dabei um
eine Kombination aus Aquakultur von Fischen (meist sind es Tilapia-Barsche) und
in Hydrokultur angebautem Gemüse wie Tomaten und Salate. Die Idee ist, die in
der Farm erzeugten Fische und das Gemüse ohne Zwischenhandel und Transportwege
direkt an das städtische Kaufpublikum zu vertreiben. In dem nahezu
geschlossenen System wird das mit Nährstoffen aus den Fischexkrementen
angereicherte und aufbereitete Wasser aus der Aquakultur zur Düngung der Gemüse
ins Hydrokultursystem gepumpt. Das im Gewächshaus verdunstete Wasser wird über
Kältefallen zurückgewonnen und wieder der Aquakultur zugeführt. Die erste
derartige kommerzielle Anlage Europas steht im Basler Dreispitzareal auf dem
Dach des ehemaligen Lokdepots.
Wie Aquaponic
funktioniert, zeigt die UrbanFarmersBox. Der ausrangierte Schiffscontainer mit
Gewächshausaufbau steht in Winterthur (http://winterthur-nachhaltig.ch/stadtbuure/).
Das Pendant in Berlin heißt Containerfarm oder schlicht Rostlaube (http://www.ecf-farmsystems.com/).))
„Urban Gardening“ – darauf kommt's an
Die Besitz- und
Organisationsstruktur der Urban-Gardening-Projekte ist das eine. Der
tatsächliche Anbau und die möglichst gute Ernte von Nutzpflanzen das
wesentliche andere. Was verspricht mehr Erfolg: Das Gärtnern in gewachsener
Erde oder im Container? Gewachsene Erde ist immer besser und bringt sicheren
Ertrag, wenn man sich an die gartenbaulichen Regeln hält (und die Schnecken
nicht alles abraspeln). Also sonnigen Platz wählen, Boden gut vorbereiten,
Gemüse und Kräuter in weitem Abstand säen oder pflanzen und darauf achten, dass
die Konkurrenz durch Wildkräuter nicht zu groß wird. Auftretende Probleme mit
Schädlings- und Krankheitsbefall, Wasser- und Nährstoffversorgung darf man
nicht unterschätzen.
Noch mehr
Aufmerksamkeit und Fingerspitzengefühl verlangt der Anbau in Kisten oder in
Hochbeeten. Hier kommt es besonders auf die gleichmäßige Wasserversorgung
eventuell mit Hilfe einer automatischen Bewässerung an, denn die Gemüsepflanzen
oder die Obstgehölze haben nur einen begrenzten Wurzelraum. Anders als in
gewachsener Erde können die Kulturpflanzen mit ihren Wurzeln nicht in tiefere
Bodenschichten vordringen und sich aus dem Bodenvorrat mit Wasser und
Nährstoffen versorgen. Bei Dauerkulturen besteht zudem die Gefahr, dass die
Pflanzen im Winter vertrocknen oder ausfrieren.
Ökologisch und nachhaltig
ist der Anbau in Gefäßen nur, wenn man sorgsam und sparsam mit Materialien
umgeht und Erde (Substrate) ohne Torf verwendet. Die Kosten sollten in einem
vernünftigen Verhältnis zum Ertrag stehen. Etwas Widerständigkeit gegen
modisches (und teures) Urban-Gardening-Zubehör aus dem Handel gehört auch
dazu.
Und dann legen Sie los
mit Mangold, Kartoffeln oder Topinambur in der Kiste oder Tomaten im Eimer –
nur nicht am Straßenrand, sondern in sicherer Entfernung von Abgasen, Feinstaub
und Reifenabrieb.
Dr. Brunhilde
Bross-Burkhardt
Samstag, 3. Mai 2014
Löwenzahn und Graffiti
Gärtnern vor Grafitti: Nachbarschaftsgarten Ton Steine Gärten in Berlin-Kreuzberg. Fotos (2): Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt. |
Von Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt
Wahrscheinlich existieren nirgendwo so viele Urban-Gardening-Projekte wie in Berlin. Eines davon ist der Nachbarschaftsgarten "Ton Steine Gärten" in Kreuzberg am Mariannenplatz. Auf der ehemaligen etwa 1000 Quadratmeter großen Brachfläche, auf der der Boden ausgetauscht wurde, bauen Anwohner oder andere Interessierte Gemüse und Kräuter an. Rein gärtnerisch betrachtet wird hier in sandiger Erde gegärtnert und nicht wie bei vielen anderen Projekten in Gefäßen. Einige Flächen werden gemeinschaftlich bewirtschaftet. Der größte Teil ist in unregelmäßig geformte Beete von etwa 10 bis 15 Quadratmeter Größe aufgeteilt. Diese werden jeweils individuell bewirtschaftet. Über Trittwege gelangt man zu den Beeten. Diese sind mit Holzprügeln, Stecken, Brettern oder Steinen abgegrenzt. Das Gelände selbst ist nicht eingezäunt. Auf einem Schild wird ausdrücklich dazu eingeladen, im Garten zu flanieren.
Die einzelnen Beete sind mit Holzpflöcken und Brettern voneinander abgegrenzt. |
Das tat ich dann auch. Zwei junge Männer sahen sich wie ich auf dem Gelände um. Eine junge Frau führte eine Besuchergruppe durch. Die Besucher waren so eindeutig in der Überzahl, denn nur eine Frau und ein Mann arbeiteten im Garten. Auf wenigen Beeten war Gemüse gesät und gepflanzt, die meisten waren nicht bestellt. Auf vielen Beeten und entlang der Zugangspfade sprießten Wildkräuter. Ich sah viel Löwenzahn, Vergissmeinnicht, Sauerampfer, Mangold, Erdbeeren, Minzen ... Nur wenige Beete schienen mit gärtnerischem Geschick und Können angelegt zu sein und betreut zu werden. Aber vielleicht war es für eine solche Beurteilung noch zu früh in der Saison (Ende April). Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass die Nachbarschaftsgärtner auf dem Gelände wegen des Schattenwurfs von hohen Gebäuden und Bäumen viel ernten werden. Auch aus einem anderen Grund dürfte das proklamierte Anliegen, sich selbst mit Gemüse aus diesem Garten zu versorgen, nicht erfüllt werden. – Die Initiativgruppe beklagt selbst, dass viel geklaut wird und Hunde durch das Gelände streunen ...
Mehr Informationen: http://gaerten-am-mariannenplatz.blogspot.com
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