Donnerstag, 2. April 2015

Anti-Gärten im Friedhofslook



Gedanken zur heutigen Garten-Un-Kultur von Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt
 

Beim Betreten der Straße vor meinem Haus sehe ich einen Vorgarten, dicht bepflanzt mit Zwerggehölzen, mit Mini-Wacholder, Mini-Thuja und anderen Immergrünen aus dem Angebot der Gartencenter. Das Erdreich dazwischen mit Rindenmulch abgedeckt. Genauso könnte eine Grabfläche aussehen.

Mir tut eine solche missglückte Pflanzung in der Seele weh. So viele verschenkte Möglichkeiten, das anvertraute Land zu einem Garten, der diesen Namen verdient, zu machen. Mit Stauden und Blütensträuchern, mit hohen Laubgehölzen und Wiesenflächen könnte er einen abwechslungsreichen Anblick bieten und dazu noch Lebensraum und Nahrungsquelle für Tiere bieten. Oder Gemüse und Obst könnten darin wachsen. Er könnte zumindest schön gestaltet sein. Doch die hunderte Quadratmeter große Gartenfläche besteht nur aus kurz geschorenem Rasen und ein paar höheren Koniferen und vielen Zwerg-Immergrünen.

Unkenntnis und Ordnungssinn
Wie konnte es nur zu solch einem Niedergang der Gartenkultur kommen? Das Unvermögen, Gärten zu bepflanzen und zu hegen betrifft ja nicht nur diesen, sondern auch viele andere Gärten. Ich sehe es als ein Zusammenspiel von Unkenntnis und übertriebenem Ordnungssinn an, gepaart mit der Notwendigkeit, die Pflegearbeiten zu vereinfachen. Dazu fehlt das ästhetische Empfinden, das Gefühl für Proportionen.

Aus  meiner jahrzehntelangen Kurstätigkeit weiß ich, dass die Leute sich oft nicht mit der Vegetation auseinandersetzen, selbst wenn sie schon ihr ganzes Leben lang einen Garten bewirtschaften. Sie wissen nicht, welche Pflanzen sie vor sich haben. Sie kennen die Namen der Gewächse nicht, geschweige denn, welche Ansprüche diese haben. Sie sehen nur Essbares, Zierendes oder Unkräuter. Vielleicht lassen sie noch Rosen gelten. Schon Hermann Hesse machte im „Steppenwolf“ diese Beobachtung:

„Man stelle sich einen Garten vor, mit hunderterlei Bäumen, mit tausenderlei Blumen, hunderterlei Obst, hunderterlei Kräutern. Wenn nun der Gärtner dieses Gartens keine andre botanische Unterscheidung kennt als „essbar“ und „Unkraut“, dann wird er mit neun Zehnteln seines Gartens nichts anzufangen wissen, er wird die zauberhaftesten Blumen ausreißen, die edelsten Bäume abhauen oder wird sie doch hassen und scheel ansehen. ...“ (zitiert aus Suhrkamp Taschenbuch 175, Auflage 1974, S. 73)

Dem ist aus heutiger Sicht nichts hinzuzufügen.

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